Der Clan
davon. Sowenig wie du.«
»Verurteile uns nicht, Anne«, bat der Alte. »Du weißt doch, wie mein Sohn war. Du hast es doch auf der Aktionärsversammlung damals erfahren, von diesem - diesem miesen ...«
»Diesem miesen Angelo Perino, willst du sagen, wie? Aber dessen Wort ist zehnmal mehr wert als das deine.«
»Du kannst das nicht verstehen«, sagte Nummer eins, und er war nun sogar den Tränen nahe. »Sally war so wunderbar und so schön, und mein Sohn, Loren Zwei, nicht einmal imstande ...«
»Ja, ja, und da hast du dieses Problem auf deine Art auf direktem Wege gelöst.« Anne sprach eiskalt. »Aber wenn wir hier schon offen reden, dann sollst du auch gleich noch wissen, daß mir das alles absolut gleichgültig ist. Ich habe mir mein Leben außerhalb des Dunstkreises deiner korrupten Parvenü-Familie eingerichtet. Nur wäre es ganz schön gewesen, irgendwann zu erfahren, daß ich tatsächlich deine Tochter bin und nicht, wie ich alle die Jahre geglaubt habe, die Tochter dieses Schwächlings, der sich schließlich umgebracht hat und offiziell als mein Vater galt. Alle diese Jahre mußte ich mich fragen - und Igor mit mir -, ob da nicht etwas Übles und Verrottetes in meinen Genen sein, eine Vorahnung von Selbstzerstörung wie bei meinem angeblichen Vater. Es wäre schön gewesen, eindeutig zu wissen, daß er nicht mein Vater war und ich nicht seine Tochter. Das wäre schön gewesen ... Vater!«
»Du mußt nicht darüber reden«, sagte Nummer eins. »Schon deshalb, weil es dir natürlich kein Mensch glauben würde.«
»Da weiß vermutlich Loren Drei auch nicht Bescheid, wie?« sagte Anne. Sie lächelte kopfschüttelnd. »Das kleine Nichts von
Mann ist also tatsächlich gar nicht mein Bruder, sondern mein Neffe! Nicht zu fassen.«
»Das stimmt nicht«, sagte Nummer eins. »Ein Nichts ist er nicht.« In seinem Gesicht waren bereits wieder aufbrausender Zorn und Ärger.
Doch Anne machte nur eine wegwerfende Handbewegung und blieb gelassen. »Deine männlichen Nachkommen machen dir nicht viel Ehre. Vielleicht solltest du dich ja doch mehr an die weiblichen halten. Was das angeht, bin ich zehnmal besser als Loren. Und Betsy ebenso. Betsy oder mir würde es wahrhaftig nicht im Traum einfallen, einen Mann halb totprügeln zu lassen. Genau das hat Loren doch getan. Billig. Perino hat Glück, daß er überhaupt noch lebt. Und er hat Kontakte und Beziehungen, vergiß das nicht. Er kann Loren zerquetschen wie eine Fliege, wenn er es darauf anlegt.«
»Ach, tu ihm mal nicht zuviel Ehre an. Du überschätzt ihn. Und unterschätze lieber nicht die Familie, die du Parvenüs zu nennen beliebst. Ich habe immerhin ein Multimillionendollarvermögen zusammengetragen.«
»Ja, aber hast kein Jota gelernt dabei, Dad. Letzten Endes bist du doch immer der kleine Maschinenbastler geblieben. Was ist sonst noch übrig? Mein bisheriger vermeintlicher Bruder, jetzt Neffe, der nichts weiter ist als ein billiger, kleiner Ganove.«
Nummer eins lief rot an. »Ach ja? Und was bist du? Meine liebe Anne, du bist auch nichts weiter als nur ein Ornament, ein Zieran-stecker. Genau das. Eine Adelsfamilie hat dich gekauft, so wie sie auch schöne Möbel und schnelle Autos kaufen, rein zum Herzeigen und als Dekoration, sonst nichts. Und Betsy? Die ist nichts als eine kleine, geile Nymphomanin, die an nichts anderes denkt als an Sex, Sex, Sex, noch mehr als jeder Mann.«
»Mehr sogar als du?« fragte Anne sarkastisch.
2
Als Nummer eins Cindy zum erstenmal in einem Kleid sah, erkannte er sie zuerst gar nicht. Er hatte sie ohnehin nicht sehr oft gesehen, aber wenn, dann als Rennstrecken-Groupie, das sie zuerst war, oder danach als Testfahrerin, wo sie unweigerlich verschossene und ausgefranste Jeans anhatte zu meistens verschwitzten und ölverschmierten Hemden. Sie war so fasziniert vom Rennfahren gewesen, daß sie ständig mit Deinem Hi-Fi-Gerät herumlief, in dem sie Kassetten mit dem Röhren von Formel-1-Rennwagen abspielte, wie sie die langen Geraden entlangdonnerten, dann jaulend vor und in den Kurven abbremsten und herunterschalteten, um ihren Motor anschließend wieder hochzujagen bis in schmerzende Dezibelzahlen. Es war schon passiert, daß man sie aus Hotels wies, weil sie pausenlos ihre dämlichen Tonbänder mit voller Lautstärke abspielte. Sie spielte sie auch bei der Liebe, wo ihr das Röhren und Donnern der Motoren zu noch wilderen Orgasmen verhalf.
Als Angelo das Rennfahren aufgab, gab auch sie ihn auf: abrupt und vollständig,
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