Der Clan
alle?«
»Er hat sie noch alle. Er fängt nur an, er selbst zu sein. Er rechnet sich aus, daß es dich ordentlich auf die Palme bringt, wenn er dich zwei Tage nach Weihnachten von Connecticut nach Detroit zitiert, und daß du folglich bei der Sitzung mächtig zornig sein wirst. Und wer wütend ist, ist bekanntlich nicht so überzeugend.«
»Was will er denn?«
»Dich aus dem seelischen Gleichgewicht bringen. Angelo, er ist
die Wände raufgegangen vor Zorn! Er hat einen Wutanfall bekommen, als er hörte, wie du die Japaner gegen Beacon abgeschottet und verlangt hast, daß alle nur über dich mit ihnen kommunizieren. Er glaubt auch, du bist schuld daran, daß die Shizoka-Leute seine Prüfer nicht ranlassen. Seine Eitelkeit ist verletzt. Er sagt, schließlich ist er immer noch der Boß hier, und du bist sein Untergebener. Und das will er ganz eindeutig klarstellen.«
»Und mit Ihrem Anruf wollen Sie mich warnen?«
»Ich will dich warnen, ja. Die offizielle Aufforderung für das Erscheinen bei der Sitzung wirst du morgen mit eingeschriebener Post erhalten.«
»Vielen Dank, Roberta. Ich werde meine Messer wetzen und in kugelsicherer Weste erscheinen.«
Cindy stocherte mißmutig in ihrem Essen herum, als er zurückkam. Sie war schwanger, und es war ihr Einfall gewesen, chinesisches Essen kommen zu lassen. Jetzt machte sie sich nichts mehr daraus.
»Worum ging es denn?« fragte sie.
»Loren hat für Donnerstag eine Vorstandssitzung angesetzt.«
»Was denn, zwischen den Feiertagen? Angelo, deine Verwandten haben sich angesagt!«
»Meine Eltern sind zehn Tage lang da, und wenn es so weiterschneit, ist morgen sowieso der Flughafen zu.«
»Du kannst doch nicht weg, wenn sie da sind!«
Angelo lächelte. »Nachdem sie diesen gloriosen Einfall haben, werde ich mir auch ein eigenes Charterflugzeug von Westchester bis Detroit auf Firmenkosten leisten, so daß ich genau um zehn da bin, wenn die Sitzung angeht und sofort danach wieder zurückfliege. Schon am Nachmittag bin ich wieder da. Das wird er sich dann schon hinter die Ohren schreiben, der gute Loren.«
2
Angelos Eltern waren erst ein einziges Mal in ihrem Haus in Greenwich gewesen, kurz, nachdem sie es gekauft hatten.
Das Haus stand auf einem sechs Morgen großen, teilweise bewaldeten Grundstück an der North Street im exklusiven HinterlandViertel von Greenwich; ein Steinhaus mit Schieferdach und Kupferverkleidung. Es stammte aus den zwanziger Jahren und war mindestens zweimal von Grund auf renoviert und umgebaut worden. Es war nicht ganz so groß wie manche der Nachbarhäuser, aber doch sehr stattlich und repräsentativ, und geräumig genug für eine Familie mit demnächst vier Kindern.
Wie schon da Apartment in Manhattan, hatte Cindy auch hier sämtliche Wände weiß streichen lassen, als besten und neutralen Hintergrund für das Hängen von Bildern. Für diesen Zweck hatte sie außerdem Leuchtschienen installieren lassen, allerdings nicht in den Hauptwohnräumen, weil es da nicht zu den Täfelungen, dem Schnitzwerk und den bleiverglasten Fenstern gepaßt hätte. Fast das gesamte Mobiliar aus der Stadtwohnung hatte sie in die oberen Schlaf- und Wohnräume verbannt. Der englische Landhausstil schien ihr für unten angemessener, und entsprechend hatte sie dort eingerichtet - bequeme tiefe Blumenmuster-Polstermöbel und Perserteppiche für die Eichenböden.
Das hatte allerdings auch zur Folge, daß die meisten Bilder aus der Stadtwohnung jetzt nicht mehr in diese Räume hier paßten. Also wurde der lange Flur im Oberstock ihre Bildergalerie, die damit zugleich auch nur den Familienfreunden und Angehörigen zugänglich und sichtbar war. Dort hing auch Amanda Finchs Akt von ihr im hochschwangeren Zustand. Ihre Schwiegereltern waren stehengeblieben und hatten das Bild lange ungläubig angestarrt, als sie es zum erstenmal sahen, hatten aber beide kein Wort darüber verloren, so wenig wie über den Jünglingsakt. Die einzigen Bilder Amandas, die unten hingen, waren einige ihrer Blumenbilder. Diese erkannten ihre Schwiegereltern nicht als Werke derselben Künstlerin, bis ihnen Cindy die Identität des Malstils anhand von Details nachwies.
Mit der Samstagpost kam tatsächlich der Einschreibebrief mit der Einladung zur Vorstandssitzung und der Anmerkung, daß Angelos Anwesenheit unbedingt erforderlich sei. Er mußte seinen Eltern erklären, warum er unbedingt weg mußte und deshalb fast einen Tag lang während ihres Besuchs nicht dasein konnte. Er sah sich sogar
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