Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers
durch Mark und Bein.
Wo ist unser Herr?
KAPITEL 26
Zwischen dem Eintreffen Otori Takeos und Arai Zenkos in Maruyama am Tag vor dem Vollmond lagen nur wenige Stunden. Takeo war aus Yamagata gekommen und hatte fast den ganzen Hofstaat der Otori mitgebracht, darunter Miyoshi Kahei und dessen Bruder Gemba, einen langen Zug von Packpferden, die jene Verwaltungsakten trugen, die während seines Aufenthaltes im Westen bearbeitet werden mussten, eine groÃe Zahl von Gefolgsleuten und seine Tochter Shigeko. Zenko wurde von einer gleich groÃen Schar von Gefolgsleuten begleitet, von Pferden, die Körbe mit üppigen Geschenken und prachtvollen Gewändern trugen. Lady Arai, die in einer kunstvoll geschnitzten und reich verzierten Sänfte saÃ, hatte auÃerdem ihre Falken und ihren SchoÃhund dabei.
Die Ankunft dieser hohen Lords, deren Gefolge die StraÃen verstopfte und die Herbergen füllte, freute die Bürger der Stadt, die während der letzten Monate zusätzliche Vorräte von Reis, Fisch, Bohnen, Wein und den Delikatessen der Gegend angelegt hatten und auf einen ordentlichen Verdienst hofften. Der Sommer war herrlich und die Ernte besonders reichlich gewesen, und nun würde Maruyama an eine Erbin übergeben werden â es gab viel zu feiern. Ãberall wehten Banner mit dem runden Hügel Maruyamas und dem Reiher der Otori in der Brise, und zu Ehren des Vollmondes wetteiferten die Köche um das ausgefallenste Essen in runder Form miteinander.
Takeo sah all dies mit groÃer Freude. Maruyama lag ihm sehr am Herzen, denn hier hatte er die ersten Monate seiner Ehe verbracht und begonnen, all das in die Tat umzusetzen, was er von Lord Shigeru über das Regieren und die Landwirtschaft gelernt hatte. Die Domäne war im ersten Jahr seiner Herrschaft durch den Taifun und das Erdbeben fast vollständig zerstört worden. Doch nun, sechzehn Jahre später, war sie reich und friedlich. Handel und Künste standen in Blüte, die Kinder waren wohlgenährt, die Wunden des Bürgerkrieges allem Anschein nach längst verheilt, und nun würde Shigeko diese Domäne übernehmen und sie selbstständig regieren. Takeo wusste, dass sie dessen würdig war.
Er musste sich immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass er hier jenen zwei Männern begegnen würde, die ihm all dies rauben konnten.
Einer der beiden, Lord Kono, war ebenfalls in der Residenz des Schlosses untergebracht. Zenko wohnte gleich hinter den Mauern des Schlosses in der edlen und luxuriösen Residenz, die früher das Haus Sugita Harukis gewesen war, des obersten Verwalters der Domäne, der sich gemeinsam mit seinen Söhnen lieber das Leben genommen hatte, als die Stadt an Arai Daiichi zu übergeben. Takeo fragte sich, ob Zenko die Geschichte der Treue dieses Hauses kannte, und hoffte, die Geister der standhaften Toten würden einen guten Einfluss auf ihn haben.
Vor dem Abendessen mit seinen vermeintlichen Feinden lieà er nach Hiroshi schicken, um unter vier Augen mit diesem zu reden. Der junge Mann wirkte ruhig und aufmerksam, war aber zugleich von einem tieferen Gefühl erfüllt, das Takeo nicht zu ergründen vermochte. Nachdem sie den Ablauf und die Zeremonien des kommenden Tages erörtert hatten, dankte Takeo ihm für seine Sorgfalt. »Du hast viele Jahre im Dienst meiner Familie gestanden. Ich möchte dich dafür belohnen. Willst du im Westen bleiben? Ich werde ein Gut und eine Frau für dich finden. Ich denke da an Lord Teradas Enkeltochter Kaori. Sie ist eine prächtige junge Frau und eine gute Freundin meiner Tochter.«
»Wenn ich Land in Maruyama bekäme, hieÃe das, dass man es jemandem wegnähme, vielleicht sogar Lady Shigeko«, erwiderte Hiroshi. »Wie ich schon zu Taku sagte: Ich werde hierbleiben, solange man mich braucht â doch in Wahrheit wünsche ich mir, mich nach Terayama zurückziehen und dem Weg des Houou folgen zu dürfen.«
Takeo musterte ihn schweigend. Hiroshi begegnete seinem Blick, dann sah er fort. »Und was eine Heirat betrifft ⦠Ich danke Ihnen für Ihre Sorge, aber ich habe wirklich nicht den Wunsch zu heiraten und kann einer Frau auch nichts bieten.«
»Jede Familie in den Drei Ländern würde dich mit offenen Armen als Schwiegersohn willkommen heiÃen. Du denkst zu schlecht von dir. Wenn Terada Kaori dir nicht gefällt, kann ich dir eine andere Frau suchen. Gibt es vielleicht
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