Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers
hätte es schon längst getan, aber meine Frau hat um Gnade gebeten.«
»Sie sind noch so jung«, sagte Ai. »Und das Mädchen â¦Â«
»Ich hatte gehofft, ihr Leben verschonen zu können«, erwiderte Takeo. »Wäre ihre Familie zu Verhandlungen mit uns bereit, dann müssten sie nicht sterben. Aber die Kikuta haben nichts dergleichen signalisiert, kein Wort geschickt. Wenn wir die Hinrichtung weiter aufschieben, wird man uns dies als Schwäche auslegen.«
»Ich werde es für morgen organisieren«, versicherte ihm Sonoda.
»Ja, so muss es wohl sein«, stimmte Ai zu. »Werden Sie anwesend sein?«
»Ich bin hier, also muss ich«, antwortete Takeo, denn er hatte selbst bestimmt, dass bei einer Hinrichtung wegen Verrats ein Zeuge höchsten Ranges anwesend sein musste, entweder er selbst, ein Mitglied seiner Familie oder einer seiner ältesten Gefolgsleute. Er hatte das Gefühl, dies betonte den rechtlichen Unterschied zwischen Hinrichtung und Ermordung, und da ihn ein solches Ereignis immer sehr belastete, hoffte er, er würde niemals willkürlich die Todesstrafe anordnen, wenn er dabei sein musste.
Die Hinrichtung wurde am nächsten Tag mit dem Schwert vollzogen. Als man ihm die Geschwister vorführte, erzählte er ihnen, bevor man ihnen die Augen verband, vom Tod ihres Vaters Gosaburo, hingerichtet von den Kikuta, vermutlich, weil er hatte verhandeln wollen, um ihr Leben zu retten. Das schien ihm keiner von beiden zu glauben. In den Augen des Mädchens glitzerten plötzlich Tränen, aber davon abgesehen sahen die beiden dem Tod tapfer, ja sogar trotzig entgegen. Er bewunderte ihren Mut, bedauerte die Vergeudung ihres Lebens und dachte voller Trauer daran, dass sie mit ihm verwandt waren â unwillkürlich fielen ihm ihre Handflächen auf, die die gerade Linie der Kikuta aufwiesen â und er sie seit ihrer Kindheit gekannt hatte.
Er hatte die Entscheidung gemeinsam mit Kaede und auf den Rat seiner ältesten Gefolgsleute hin getroffen. Sie entsprach dem Gesetz. Trotzdem wünschte er, es wäre anders gekommen, zumal diese Tode tatsächlich wie ein böses Omen wirkten.
KAPITEL 34
Im Verlauf des Winters trafen sich Hana und Zenko häufig mit Kuroda Yasu, um über eine Erweiterung des Handels mit den Fremden zu diskutieren, und sie waren erfreut, als Yasu schlieÃlich zu berichten wusste, dass Don João und Don Carlo nach Hofu zurückgekehrt waren. Weniger erfreut waren sie über die Nachricht, dass Terada Fumio die Flotte der Otori mitgebracht hatte und nun die Wasserwege kontrollierte. Â
»Die Fremden prahlen immer damit, ihre Schiffe seien viel besser als unsere«, sagte Yasu. »Wenn wir sie nur herbeirufen könnten!«
»Dazu müssten sie einen Anreiz haben, um auf unserer Seite gegen Takeo zu kämpfen â¦Â«, dachte Hana laut nach.
»Sie wollen Handel treiben und sie wollen die Menschen zu ihrer Religion bekehren. Bieten Sie ihnen eines davon an â oder beides. Im Gegenzug werden sie Ihnen alles geben, was Sie wollen.«
Dieser Hinweis spukte Hana im Kopf herum, während sie Vorbereitungen für ihre Reise nach Hagi traf. Wenn sie daran dachte, ihre Schwester mit dem Geheimnis zu konfrontieren, überkamen sie sowohl Aufregung als auch Furcht, eine Lust an der Zerstörung. Dochanders als ihr Mann neigte sie nicht dazu, Takeo zu unterschätzen. Sie war sich bewusst, dass er im Laufe seines Lebens durch seine Charakterstärke immer wieder die Liebe des Volkes und treue Unterstützer gewonnen hatte. Vielleicht würde er gar die Gunst des Kaisers erringen und unter dem Schutz seines Segens zurückkehren. Daher hatte sie den ganzen Winter über weitere Strategien nachgedacht, die ihrem Mann in seinem Kampf um Rache und Macht helfen könnten, und als sie hörte, die Fremden seien mit ihrer Dolmetscherin in der Hafenstadt eingetroffen, beschloss sie, über Hofu nach Hagi zu reisen.
»Sie sollten uns begleiten«, sagte sie zu Akio, denn auch er war über den Winter häufig im Schloss zu Gast gewesen, um Neuigkeiten aus dem Rest des Landes zu erzählen und von den Fortschritten Hisaos und Kojis beim Schmieden zu berichten. In seiner Anwesenheit ging Hanas Puls jedes Mal schneller. Seine pragmatische Kaltblütigkeit faszinierte sie.
Nun sah er sie mit seinem üblichen berechnenden Blick an. »Ja, meinetwegen. Ich werde
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