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Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers

Titel: Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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langsam und sah zu dem Seidenzelt, wo der Kaiser hinter dem Wandschirm aus Bambus saß. Der Wettkampf war unentschieden ausgegangen und die Entscheidung lag nun beim Kaiser. Langsam verstummte die Menge. Die Wettkämpfer standen reglos da und warteten, die rote Mannschaft auf der östlichen, die weiße Mannschaft auf der westlichen Seite. Die Sonne warf die Schatten der Pferdebeine quer über die Arena. Im Pferch kläfften immer noch die Hunde, aber sonst war nichts zu hören.
    Takeo wurde sich bewusst, dass die Menschen im Laufe des Wettkampfes von ihm zurückgewichen waren, weil sie seine Demütigung nicht aus der Nähe miterleben und keinen Anteil an seinem unheilvollen Schicksal haben wollten. Daher wartete er nun allein auf die Entscheidung.
    Hinter dem Wandschirm wurde geflüstert, doch er verschloss die Ohren davor. Erst als der Minister wieder zum Vorschein kam, zuerst einen Blick auf Shigeko warf und dann nervös zu Saga schaute, erwachte das erste Fünkchen Hoffnung in ihm.
    Â»Da die Mannschaft von Lady Maruyama kein Blut vergossen hat, spricht der Kaiser den Sieg der weißen Mannschaft zu!«
    Takeo fiel auf die Knie und warf sich zu Boden. Die Menge jubelte zustimmend. Als er sich wieder aufrichtete, stellte er fest, dass ihn plötzlich Menschen umringten, die ihm gratulieren und ihm nahe sein wollten. Als sich die Neuigkeit in der Arena und draußen vor den Toren verbreitete, begann man wieder zu singen.
    Lord Otori ist in der Hauptstadt erschienen.
Seine Pferde preschen durch unser Land.
Seine Tochter hat einen großen Sieg errungen.
Lady Maruyama hat kein Blut vergossen.
Der Sand ist weiß. Die Hunde sind weiß.
Die weißen Reiter obsiegen.
Die Drei Länder leben in Frieden.
Genau wie alle Acht Inseln!
    Takeo schaute zu Saga und merkte, wie der Kriegsherr ihn anstarrte. Ihre Blicke begegneten sich und Saga neigte zum Zeichen seiner Anerkennung des Sieges den Kopf.
    Das hat er nicht erwartet , dachte Takeo und erinnerte sich an Minorus Worte. Er hat damit gerechnet, mich ohneKampf loswerden zu können, aber er ist gescheitert. Er wird nach jedem Strohhalm greifen, um nicht Wort halten zu müssen.
    Lord Saga hatte ein großes Fest vorbereitet, um seinen erwarteten Sieg zu feiern, und es fand auch wie geplant statt, aber anders als in den Straßen der Stadt war die Freude, die dabei herrschte, nicht ganz aufrichtig. Doch die Höflichkeit behielt die Oberhand, und Saga machte Lady Maruyama viele Komplimente und unterstrich, dass er sich eine Heirat nun mehr denn je wünschte.
    Â»Wir werden Verbündete sein und Sie mein Schwiegervater«, sagte er und lachte mit erzwungener Fröhlichkeit. »Obwohl ich glaube, dass ich ein paar Jahre mehr auf dem Buckel habe als Sie.«
    Â»Es wird mir ein großes Vergnügen sein, Sie als Sohn zu bezeichnen«, sagte Takeo und war ein wenig überrascht, als er das Wort aussprach. »Wir werden die Eheschließung allerdings erst verkünden, wenn meine Tochter ihren Clan um Zustimmung gebeten hat. Und ihre Mutter.« Er warf einen Blick auf Lord Kono und fragte sich, was unter der Maske der Höflichkeit in ihm vorgehen mochte. In welcher Form würde er Zenko über den Ausgang des Wettkampfes informieren, und was tat Zenko gerade?
    Als das Fest in der späten Nacht zu Ende ging, war der Mond schon untergegangen. Die Sterne waren groß und leuchteten verschwommen in der feuchten Luft.
    Â»Ich muss euch bitten, noch ein wenig mit dem Schlafen zu warten«, sagte Takeo, als sie zu ihrer Residenz zurückkehrten, und führte Shigeko, Gemba und Hiroshi in den abgeschiedensten Raum des Hauses. Alle Türen standen offen. Im Garten tröpfelte Wasser und ab und zu sirrte ein Moskito. Man rief Minoru herbei.
    Â»Vater, was ist los?«, wollte Shigeko wissen. »Hast du schlechte Neuigkeiten von zu Hause? Geht es um Mutter? Das Baby?«
    Â»Minoru wird euch etwas vorlesen«, antwortete er und gab dem Schreiber das Zeichen zu beginnen.
    Dieser las wie üblich auf seine trockene Art und ohne jedes Anzeichen von Gefühl, aber die Neuigkeiten nahmen alle Anwesenden trotzdem stark mit. Shigeko zeigte offen ihre Tränen. Hiroshi saß totenblass da, als hätte er einen Schlag auf die Brust bekommen und ränge um Atem. Gemba schniefte laut und sagte: »Und das hast du den ganzen Tag für dich behalten?«
    Â»Ihr solltet durch nichts abgelenkt werden. Ich hatte nicht

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