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Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers

Titel: Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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Maya. »Kannst du mich zu ihm bringen?«
    Â»Das geht nicht! Akio würde mich töten, wenn er es herausfände!«
    Â»Bring mich zum Abort«, sagte Maya. »Schließ diese Tür, aber verriegele sie nicht. Ich werde dann in Hisaos Zimmer gehen. Mach dir keine Sorgen, denn niemand wird mich sehen. Aber du musst mich warnen, wenn Akio zurückkommt.«
    Â»Du wirst Hisao doch nicht wehtun?«
    Â»Er ist ein erwachsener Mann. Ich bin erst vierzehn – noch gar keine richtige Frau. Ich habe keine Waffen. Wie soll ich ihm wehtun? Außerdem habe ich doch gesagt, dass ich ihm helfen möchte.«
    Noch während sie sprach, rief sie sich ins Gedächtnis, wie sie einen Mann mit bloßen Händen töten konnte. Sie hatte viele Arten des Tötens gelernt. Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Ihr Hals war trocken, aber sonst war sie ruhig. Hisao war krank und schwach, konnte durch die Krankheit offenbar nicht richtig sehen. Es würde ihr ein Leichtes sein, ihn mit ihrem Blick außer Gefecht zu setzen. Sie fasste sich an den Hals, fühlte ihren Puls, stellte sich vor, den seinen unter die Finger zu bekommen. Und wenn das nicht klappte, würde sie die Katze heraufbeschwören …
    Â»Komm, Noriko, gehen wir zu Hisao. Er braucht deine Hilfe.« Als Noriko weiter zögerte, sagte Maya leise: »Er liebt dich auch.«
    Â»Wirklich?« Norikos Augen leuchteten in ihrem schmalen, blassen Gesicht auf.
    Â»Er erzählt es niemandem, aber er träumt von dir. Ich habe seine Träume genauso gesehen wie deine. Er träumt davon, dich im Arm zu halten, und er schreit im Schlaf.«
    Maya sah zu, wie Norikos Züge weich wurden. Sie verachtete sie für ihre Verliebtheit. Noriko schob die Tür auf, sah sich draußen um und winkte Maya. Sie begaben sich rasch zum hinteren Teil des Hauses. Vor der Klotür drückte sich Maya die Hände auf den Bauch und schrie, als litte sie Schmerzen.
    Â»Na, mach schon und bummel nicht den ganzen Tag darin herum«, sagte Noriko mit plötzlichem Einfallsreichtum.
    Â»Was kann ich denn dafür, wenn mir schlecht ist?«, erwiderte Maya, die auf das Spiel einging. »Das liegt an dem Fraß, den du mir immer bringst!«
    Sie berührte Noriko an der Schulter, als sie sich unsichtbar machte. Noriko, an derartige Seltsamkeiten gewöhnt, starrte weiter geradeaus. Maya ging eilig zu Hisaos Schlafzimmer, schob die Tür auf und trat ein.
    Die helle Sonne draußen hatte ihre Pupillen schmal werden lassen, und einen Moment lang konnte sie nichts erkennen. Im Zimmer war es muffig und ein schwacher Geruch nach Erbrochenem lag in der Luft. Dann sah sie den Jungen, der sich auf der Matratze in der Ecke zusammengerollt hatte, einen Arm über dem Gesicht. Er schien zu schlafen, denn sein Atem ging gleichmäßig. Eine solche Chance würde sie nie wieder bekommen. Sie hielt den Atem an, spannte die Muskeln ihrer Hände, sammelte all ihre Kraft, ging quer durch das Zimmer, kniete sich neben ihn und packte seinen Hals.
    Die Anstrengung beeinträchtigte ihre Konzentration und sie verlor die Unsichtbarkeit. Er schlug die Augen auf und starrte sie kurz an, bevor er sich herumwarf und sich ihrem Griff zu entwinden versuchte. Er war kräftiger, als sie erwartet hatte, aber sie fing seinen Blick auf und ließ ihn kurz benommen werden. Ihre Finger schlossen sich um seinen Hals wie Tentakeln, während er den Rücken krümmte und mit den Armen fuchtelte, um sich loszureißen. Sie klammerte sich wie ein Tier an ihn, als er sich auf Hände und Knie erhob. Seine Haut war verschwitzt und sie spürte, wie ihre Finger abrutschten. Auch er spürte es, wand sich noch einmal und warf den Kopf zurück. Er packte Maya und schleuderte sie gegen die Wand, die so dünn war, dass sie riss und splitterte. Maya glaubte, Noriko schreien zu hören. Ich habe versagt , dachte sie, als sich Hisaos Hände um ihren Hals schlossen, und sie machte sich bereit zu sterben.
    Miki! , sagte sie stumm, und es war, als ob Miki ihr antwortete, denn sie spürte, wie ihre Wut auf Hisao Besitz von ihr ergriff, und auf einmal erschien die Katze, fauchend und zischend. Hisao schrie überrascht auf und ließ sie los. Die Katze wich zurück, bereit zur Flucht, aber noch nicht gewillt aufzugeben.
    Diese Pause gab Maya Zeit, um sich wieder sammelnund konzentrieren zu können. Sie merkte, dass ihn trotz seiner schnellen

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