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Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels

Titel: Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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Soldaten hinter sich. Ein hässlicher Schrei stieg aus ihren Kehlen und die Noguchi stürmten vor, trampelten über die kopflose Leiche und das sterbende Pferd, rannten nicht den Hang hinunter gegen die vordringenden Tohan, sondern hinauf amRand der Ebene, umfassten so Shigerus Haupttruppe, drängten sie gegen die nördliche Hügelkette und machten die Palisaden sinnlos.
    Shigeru blieb kaum Zeit, irgendetwas zu erfassen – weder den Betrug zu erkennen noch über Kiyoshiges Tod zu trauern –, bevor er gegen die eigenen Clanmänner um sein Leben kämpfte, verzweifelt und voller Hass wegen ihres Verrats. Hinterher waren Szenen in seine Erinnerung geprägt, die niemals gelöscht werden würden: Kiyoshiges Kopf, vom Körper getrennt, doch immer noch in gewisser Weise lebendig mit den vor Schreck weit aufgerissenen Augen; der körperlich schmerzende Moment, in dem er den eigenen Augen trauen und erkennen musste, dass er betrogen worden war; der erste Mann, den er in einem Reflex der Selbstverteidigung tötete, das Noguchiwappen; dann der Wechsel von seinem Schreck zu einer Wut, die er nie zuvor erlebt hatte, einem blutdurstigen Zorn, der alle Gefühle verdrängte bis auf den Wunsch, die ganze verräterische Horde selbst zu töten.
    Die Fußsoldaten waren in Auflösung, von den Tohanreitern vor ihnen und Noguchis Bogenschützen an der Seite umgemäht. Shigeru führte seine Reiter immer wieder gegen die Tohan, doch als sie zurück zu den Hügeln gezwungen wurden, folgten ihm jedes Mal weniger. Er merkte, dass sein Vater und Irie links von ihm waren. Die Kitano, von denen er Verstärkung im Süden erwartet hatte, schienen verschwunden zu sein. Hatten sie sich schon zurückgezogen? Während er unter den Bannern vergeblich das Kastanienblatt suchte, sah er, dass Irie einen Angriff auf der rechten Flanke der Tohan führte.Er wendete Karasu und trieb ihn zurück in den Kampf, da bemerkte er Eijiro mit seinem ältesten Sohn Danjo neben sich. Sie ritten gemeinsam vor, schlugen eine Schneise in die Fußsoldaten und zwangen sie, etwas zurückzuweichen, doch dann wurde Eijiro seitlich von einer Lanze getroffen und fiel vom Pferd. Danjo heulte zornig auf und tötete den Mann, der seinen Vater getötet hatte. Fast im selben Moment kam ein Reiter auf ihn zu und spaltete ihm den Schädel.
    Shigeru kämpfte weiter, von der gleichen blinden Wut getrieben. Ein Nebel schien auf dem Schlachtfeld zu liegen und Sicht und Geräusche zu dämpfen. Verschwommen nahm er die Schreie von Männern und Pferden wahr, das Säuseln und Klicken, das einem weiteren tödlichen Pfeilregen vorausging, das Brüllen und Grunzen, das die schwere Arbeit des Metzelns begleitete, aber er selbst war davon getrennt, als würde er sich in einem Traum sehen. Der Kampf war so heftig, dass es fast unmöglich war, die eigenen Männer von den Tohan zu unterscheiden. Banner fielen in den Staub, Wappen auf Rüstungen waren mit Blut überschmiert. Shigeru und eine Handvoll Männer wurden bis zu einem kleinen Bach zurückgedrängt. Er sah, wie seine Gefährten nacheinander fielen, doch jeder hatte zwei Tohankrieger mitgenommen. Schließlich war Shigeru allein mit zwei feindlichen Soldaten, einer zu Fuß, der andere noch beritten. Alle drei waren erschöpft. Shigeru parierte die hackenden Schläge des Reiters, trieb Karasu näher an das andere Ross und schwang schnell sein Schwert, als das Pferd stolperte. Er sah das Blut seines Gegners spritzen und wusste, dass er ihn wenigstens für den Moment kampfunfähig gemacht hatte. Er drehtesich nach rechts zu dem Fußsoldaten und tötete ihn in dem Moment, in dem der Tohan in Karasus Hals stieß. Das Pferd zitterte und neigte sich zur Seite, wobei es gegen das andere Pferd prallte, das fiel und seinen sterbenden Reiter abwarf. Karasu stolperte schwer, warf Shigeru auf seinen Feind, brach über ihm zusammen und presste ihn auf den Boden.
    Der Sturz musste ihn betäubt haben, denn als er sich unter dem Pferd hervorwinden konnte, stand die Sonne im Westen und begann hinter die Berge zu sinken. Der Hauptstoß der Schlacht war über ihn gezogen wie ein Taifun und hatte sich ausgetobt. Das kleine Tal, in dem Karasus Leiche den Bach staute, war verlassen bis auf die Toten, die – Otori neben Tohan – in seltsamen Haufen lagen und zur Ebene hin zahlreicher wurden.
    Wir sind besiegt.

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