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Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels

Titel: Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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schienen nichts von der Schlacht gehört zu haben und weder Kenji noch Shigeru sprachen davon. Sie verehrten Kenji und behandelten ihre beiden Gäste mit solchem Respekt, dass kaum jemand etwas sagte.
    Am nächsten Morgen nutzte Shigeru den breiteren Weg und die sanfteren Hänge zu einem Gespräch mit Kenji. Er musste immer wieder an seinen Vater denken: Sein Tod und der Verrat würden gerächt werden müssen, doch Shigeru beschäftigte auch der verschwundene Sohn vom Stamm, aus der Familie der Kikuta. Er wollte Kenji über ihn befragen, aber eine gewisse Vorsicht hielt ihn zurück. Zuerst würde er versuchen, die wahren Absichten des Mannes zu erkunden, warum er ihm geholfen hatte, was er dafür erwartete.
    Â»Ich nehme an, du berichtest Iida von meiner Flucht?«, fragte er.
    Â»Das ist nicht nötig. Sobald du wieder in Hagi bist, wird man das allgemein wissen. Iida wird enttäuscht sein und etwas anderes gegen dich unternehmen. Vertraust du deinen Onkeln?«
    Â»Nicht im Geringsten.«
    Â»Sehr weise.«
    Â»Deshalb dränge ich so auf eine schnelle Rückkehr. Sie werden nicht auf die Bestätigung meines Todes warten, bevor sie versuchen, die Macht zu ergreifen.« Nach kurzer Pause fuhr Shigeru fort: »Natürlich kann das der Grund sein, warum du mich so viele Tage in den Bergen festgehalten hast.«
    Â»Ich habe dich nicht festgehalten! Ist es dir entgangen, dass du zwei Tage lang im Delirium warst und dann zu schwach zur Weiterreise? Ich habe dir das Leben gerettet! Mit Recht heißt es, dass der Mann, dem du das Leben gerettet hast, dich immer hassen wird«, fügte er nicht ohne Bitterkeit hinzu.
    Â»Ich bin dir dankbar«, erwiderte Shigeru. »Ich verstehe nur nicht, warum du es getan hast. Du hast für Iida als Informant und Mittelsmann gearbeitet. Warum bringst du mir mein Schwert und hilfst mir bei der Flucht, wenn dein Herr meinen Kopf will?«
    Â»Niemand ist mein Herr«, widersprach Kenji. »Ich bin meiner Familie und dem Stamm treu.«
    Â»Deiner Familie mit deiner doppelzüngigen Nichte! Und du sprichst von Treue! Du weißt nicht, was das Wort bedeutet.«
    Shigeru spürte, wie der Zorn ihn durchfuhr und erneuerte Kraft brachte. Kenji wirkte ebenso zornig, aber er bemühte sich, sachlich zu klingen, als er sagte: »Treue bedeutet dem Stamm vielleicht nicht das Gleiche wie den Kriegern, aber wir wissen doch, was sie bedeutet. Wenn ich dich an Iida verraten wollte, hätte ich es schon getan.« Dann fuhr Kenji fort: »Ich habe über die Zukunft nachgedacht. Iida sollte sich nicht in allem durchsetzen. Wir müssen dafür sorgen, dass er sich nicht zu sicher fühlt. Wir brauchen Leute, die ihn nachts wach halten, während er darüber grübelt, was sie im Sinn haben.«
    Â»Also beherrscht der Stamm uns alle?«, fragte Shigeru.
    Â»Mehr, als irgendeiner von euch vermutet«, gab Kenji zu.
    Â»Und jetzt passt es dir, mich zu unterstützen, damit du etwas gegen Iida in der Hand hast?«
    Â»Das ist meine vorläufige Einschätzung.« Kenji schaute ihn kurz an und sagte dann: »Aber natürlich ist das nicht der einzige Grund, Shigeru.«
    Shigeru verbesserte ihn nicht wegen der Vertraulichkeit, doch er sagte sarkastisch: »Irgendwelche Bindungen zwischen uns aus einem früheren Leben?«
    Â»Etwas in der Art. Weißt du, ich habe noch nie mit Iida gesprochen. Ich wurde noch nicht einmal bei ihm vorgelassen. Ich bekomme Anweisungen von seinen Handlangern. Aber als wir uns kennenlernten, hast du höflich mit mir gesprochen, hast mich um Hilfe gebeten und mir gedankt.«
    Â»Ich hielt dich für einen Fuchsgeist und wollte dich nicht beleidigen.«
    Kenji lachte und fuhr fort: »Und vor ein paar Tagen hast du mir dein Schwert gegeben – ein Krieger macht das nicht ohne Weiteres. Und mehr noch, als ich das Schwert deines Vaters in den Händen hielt, spürte ich etwas von seiner Kraft. Ich weiß, dass du sein rechtmäßiger Besitzer bist – und ein verdienstvoller. Du kennst bestimmt deinen Ruf im Mittleren Land, den Respekt und die Zuneigung, die man dir entgegenbringt. Der Stamm hat andere Vorstellungen von Ehre. Trotzdem möchte ich nicht als der Mann bekannt werden, der Otori Shigeru an Iida Sadamu verraten hat! Also stimmt es, es gibt eine Bindung zwischen uns – aus politischen und persönlichen Gründen.«
    Shigeru sagte etwas

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