Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels
herrenlos oder ohne Land zurück. Aber wir wurden bisher nicht angegriffen und wir haben auch nichts von Banden in dieser Gegend gehört. Ich fürchte, Sie waren ihr erklärtes Ziel«, fügte er an Shigeru gewandt hinzu. »Wir werden denen in Hagi zeigen, dass solche Dinge im Mittleren Land nicht geduldet werden.«
Die Männer um ihn herum zollten dem Beifall und schienen entschlossen, sofort nach Hagi zu marschieren.Shigeru sah es mit Staunen. Das war zweifellos ein Ergebnis der Umwälzungen seit der Niederlage von Yaegahara und eins, mit dem niemand gerechnet hatte. Statt durch die Niederlage eingeschüchtert zu sein, waren die überlebenden Otoribauern aufsässig geworden, sie würden eher selbst die Waffen ergreifen, statt sich kampflos den Tohan übergeben zu lassen.
Shigeru riet ihnen davon ab, irgendwelche Aktionen zu veranstalten, bat sie, stattdessen die Beerdigung der Toten vorzubereiten, und machte sich auf den Heimweg. Als er sein Haus erreichte, war es Nacht geworden, die erste Nacht nach dem Vollmond. Die Luft war jetzt trockener und viel kühler und das Mondlicht nicht länger golden, sondern bleich und geisterhaft, die Schatten verwiesen auf die Finsternis, die hinter der Welt der Erscheinungen lag. Von allen Ereignissen dieses Tages war der Attentatsversuch mitnichten das überraschendste. Noch nicht einmal die Blutflecken an seiner Kleidung waren ihm aufgefallen, bis Chiyo entsetzt aufschrie, als sie mit einer Lampe in der Hand zur Tür kam, um ihn zu begrüÃen.
Die Neuigkeit verbreitete sich sofort im ganzen Haus und am nächsten Tag war sie trotz der von Shigeru befohlenen Geheimhaltung in Hagi weithin bekannt. Verschiedenste Gerüchte kamen hinzu und vergröÃerten die Unruhe in der Stadt. Shigerus Onkel waren gezwungen, öffentlich jede Beteiligung an dem Attentat zu leugnen und Shigeru vor aller Augen mit Ehrerbietung zu empfangen, um den Aufruhr zu besänftigen. Dennoch dauerten die Unruhen den ganzen Herbst hindurch an. Das bewirkte, dass Shigeru etwas weniger gefährdet war und weniger eingeschränkt wurde. Er bekam die Erlaubnis, nach Belieben zu reisen. Seine angenommene Rolle behielt er jedoch bei und genoss die Freiheit und Anonymität, die sie ihm gab.
Er konnte nicht wissen, wer hinter dem Attentatsversuch gestanden hatte. Nach Kenjis Warnungen musste er annehmen, dass es Iida war. Kenji, dachte er, könnte ihm das bestätigen, aber der Fuchs erschien nicht wie im sechsten Monat, und Shigeru dachte zwar daran, ihm nach Yamagata zu schreiben, tat es schlieÃlich aber doch nicht. Es beunruhigte ihn, dass er offensichtlich die meiste Zeit beobachtet wurde, und er bemühte sich selbst um mehr Wachsamkeit und Geheimhaltung. Dass die Männer ihn auf seinem eigenen Besitz angegriffen hatten, an dem Ort, an dem er sich offensichtlich aufhielt, war wiederum ermutigend â auf den einsamen Bergpfaden nach Terayama hätten sie ihn viel erfolgreicher überfallen können, wenn sie denn über jede seiner Unternehmungen Bescheid gewusst hätten. Zudem fühlte er sich bestärkt durch die Unterstützung der Bauern, durch die Erkenntnis ihrer versteckten Treue zu ihm, die wie eine Kohlenader direkt unter der Oberfläche lag, bereit zu brennen und Stahl zu schmieden.
Er lieà verlauten, er plane, Eijiros Gut zu besuchen, um sich von dessen Witwe zu verabschieden, und bereitete gleichzeitig Takeshis Ãbersiedlung zu Lord Miyoshi in seiner Abwesenheit vor. Wenn alles gutging, könnte Takeshi dort den Winter verbringen.
Als der Mond wieder schien, brach Shigeru nach Misumi auf. Mori Yusuke war von seiner Reise noch nicht zurückgekehrt, doch bevor er ging, hatte er seine restlichen Pferde Shigeru anvertraut und Shigeru nahm das älteste Fohlen, das vor kurzem zugeritten worden war. Er nannte es Kyu. Das Pferd war lebhaft, voller Jugend und Energie; wenn man es ritt, konnte man unmöglich deprimiert sein. Ich bin wahrhaftig nicht für Verzweiflung gemacht, erkannte Shigeru und war dankbar für die Erziehung, die ihm so viel Widerstandskraft vermittelt hatte. Selbst die Woche, die er auf Eijiros Gut verbrachte, stürzte ihn nicht wieder in die düstere Stimmung der Tage nach Moes Tod, obwohl es auch hier viel Trauer über den Tod von Vater und Söhnen und den Verlust des Gutes gab. In den Feldern, die trotz Eijiros Tod noch gut gepflegt waren, sah er ein dauerhaftes Zeichen der
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