Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels
Essen davonstehlen kann.«
Shigeru lachte. »Wer ist sie?«
»Tase â ein sehr schönes Mädchen. Eine Sängerin aus Yamagata, wo die schönen Frauen wohnen. Sie hat viele nette Freundinnen, falls du eine von ihnen kennenlernen möchtest.«
»Du kennst so viele schöne Frauen«, neckte ihn Shigeru, »ich kann sie nicht alle kennenlernen.«
»Diese eine ist anders«, sagte Takeshi. »Ich wollte, ich könnte sie heiraten.«
»Du solltest heiraten«, erwiderte Shigeru. »Dieses Mädchen ist vielleicht nicht die Richtige, aber jemand anders könnte gefunden werden.«
»Ja, eine, die Iida Sadamu ausgesucht hat, um unser Bündnis mit den Tohan zu stärken! Da bleibe ich lieber ledig. Wie ich sehe, brennst auch du nicht darauf zu heiraten.«
»Aus ähnlichen Gründen.«
»Iida hat viel zu viel in unserem Leben zu sagen«, erklärte Takeshi leise. »Wir sollten ihn töten!«
»Darüber will ich mit dir reden.«
Takeshi seufzte tief auf. »Endlich!«
Sie ritten gemeinsam nach Hagi zurück, sprachen über Pferde und trennten sich an der Steinbrücke. Takeshi brachte die Pferde zu den Moriställen, bevor er zu Mutter und Bruder ging, Shigeru ritt durch die Stadt zum Haus der Mutter. Die Unruhen der vergangenen Jahre waren gröÃtenteils besänftigt. Die Stadt hatte ihren wohlhabenden und fleiÃigen Charakter wiedererlangt, doch das bemerkte er ebenso wenig wie die GrüÃe, die ihm zugerufen wurden. Er dachte an den Jungen in Mino.
Beim Abendessen war er zerstreut, doch seiner Mutter fiel das nicht auf. Ihre Aufmerksamkeit galt ganz ihrem jüngeren Sohn. Chiyo war ebenfalls entzückt, Takeshi wieder im Haus zu haben, und erschien immer wieder mit weiteren Schüsseln, die seine Leibspeisen enthielten. Die Atmosphäre war festlich und jeder trank viel Wein. SchlieÃlich entschuldigte sich Shigeru mit dringenden Geschäften, die er zu erledigen habe. Ichiro und Takeshi boten sofort ihre Hilfe an.
»Ich muss einiges mit meinem Bruder besprechen, solange er da ist«, sagte Shigeru. Ichiro war zufrieden damit, dazubleiben und noch ein paar Becher Wein zu leeren. Shigeru und Takeshi zogen sich in das Hinterzimmer zurück, wo die Schriftrollen und Berichte aufbewahrt wurden. Shigeru erzählte Takeshi rasch von ihrem Neffen und Takeshi hörte erstaunt und mit steigender Erregung zu.
»Ich gehe mit dir«, sagte er sofort, als er von Shigerus Absicht hörte, den Jungen zu suchen und nach Hause zu bringen. »Du kannst nicht allein gehen.«
»Ich kann die Stadt allein verlassen und auf Reisen gehen. Jeder ist jetzt an meine Exzentrik gewöhnt â¦Â«
»Du hast das seit Jahren geplant«, sagte Takeshi bewundernd. »Es tut mir leid, dass ich je meine Zweifel hatte.«
»Ja, ich habe etwas geplant. Aber ich wusste bis jetzt nicht, was! Ich musste jeden überzeugen, dass ich machtlos und harmlos war. Das ist meine wichtigste Verteidigung. Wenn wir zusammen reisen, wird das unsere Onkel misstrauisch machen.«
»Dann lass uns getrennt die Stadt verlassen und wir treffen uns später irgendwo. Ich werde nach Tsuwano oder Yamagata gehen, angeblich zu einem Fest. Tase wird meine Entschuldigung und meine Tarnung sein. Jeder weiÃ, für mich kommt das Vergnügen fast immer vor der Pflicht.«
Shigeru lachte. »Es tut mir leid, dass ich dich so oft dafür getadelt habe, dabei war es nur vorgetäuscht.«
»Ich verzeihe dir«, sagte Takeshi. »Ich verzeihe dir alles, weil wir endlich unsere Rache haben werden. Wo sollen wir uns treffen? Wo ist dieses Dorf überhaupt?«
Hinter Inuyama, hatte Shizuka gesagt, in den Bergen am Rand der Drei Länder. Shigeru war noch nie so weit im Osten gewesen. Die Brüder studierten die vorhandenen Karten, versuchten die Flüsse, StraÃen und Berge darauf zu orten. Mino war zu unbedeutend, um darauf verzeichnet zu sein. Shigeru suchte Rat in den Aufzeichnungen, die er nach Shizukas Informationen verfasst hatte, doch in Mino und den umliegenden Gebieten gab es offenbar keine Stammesfamilien, denn sie wurden nicht erwähnt.
»In den Bergen hinter Inuyama«, überlegte Takeshi. »Das Gebiet um Chigawa kannten wir früher gut. Warum treffen wir uns nicht dort, bei der Höhle, in die Iidagefallen ist. Lass uns beten, dass die gleichen Götter, die ihn damals dorthin führten, uns so
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