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Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels

Titel: Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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nackten Beinen, einer Stange über den Schultern und dem Gesicht unter einem tief herabgezogenen Hut verborgen glich er mehr einem Diener und fühlte sich auch so. Er schluckte wieder, der Ärger nagte an ihm.
    Â»Leb wohl.« Matsuda nickte dem Mönch kurz zu.
    Â»Wann sollen wir euch erwarten?«, fragte er.
    Â»Oh, irgendwann. Wann auch immer.« Matsuda machte eine unbestimmte Handbewegung. »Wenn wirin einem Monat nicht zurück sind, schickt ihr uns besser noch was zu essen.«
    Der Geruch aus dem Korb ließ Shigerus Magen schon jetzt vor Hunger schmerzen, doch es schien erbärmlich wenig Nahrung für einen Monat zu sein.
    Der tiefe Schatten des äußeren Tors war angenehm; in der Sonne war es heißer, die Luft war schwüler. Sie benutzten nicht den Treppenpfad, der hinunter zum Gasthof am Fuß des Berges führte, sondern gingen bergauf an einem kleinen Bach entlang, der den Hang hinuntersprudelte.
    Die Bündel waren nicht schwer, ließen sich aber nur schlecht durch das dichte Unterholz tragen, und der Boden war glatt. Insekten summten um Shigerus Kopf und Bremsen stachen. Matsuda ging rasch, er stieg so gewandt bergauf wie ein Affe, während Shigeru langsam hinter ihm herkraxelte. Es dauerte nicht lange, da war er vom Gras und den Büschen ebenso nass wie vom eigenen Schweiß und die Tropfen rannen ihm von der Stirn.
    Nach etwa zwei Stunden bog der Pfad vom Bach ab nach Nordwesten. Hier rasteten sie kurz, tranken von dem kalten Wasser und spritzten es sich auf Hände und Gesicht.
    Â»Ich bin froh, dass Sie nicht beschlossen haben, wegzugehen«, sagte Matsuda leichthin, nahm den Hut ab und wischte sich mit dem Ärmel übers Gesicht. »Wenn Sie das getan hätten, wäre ich womöglich gezwungen gewesen, Iida Sadayoshis Einladung nach Inuyama anzunehmen.«
    Â»Inuyama?«, wiederholte Shigeru erstaunt. »Warum sollten Sie dort hin?«
    Â»Sadayoshi scheint zu glauben, seinem Sohn wäre mein Unterricht nützlich. Er würde nicht riskieren, ihn ins Mittlere Land zu schicken, aber er hofft, ich komme zu ihm.«
    Â»Und wären Sie gegangen?«
    Â»Nun, ich mag Inuyama nicht. Es ist zu heiß im Sommer und eiskalt im Winter. Aber die Iida sind keine Familie, die man so ohne Weiteres beleidigt«, entgegnete Matsuda. »Und Sadamu hat einen wachsenden Ruf als mächtiger Krieger.«
    Â»Aber Sie sind Mönch geworden. Sie haben das Kriegerleben aufgegeben.«
    Â»Ich habe gelernt, dass ich vor allem ein Lehrer bin. Ein Lehrer ist nichts ohne gute Schüler, die seinen Unterricht schätzen und achten. Ehrlich gesagt weiß ich nicht, wie viel Iidas Sohn von mir lernen könnte. Er ist schon in seinen Zwanzigern, gute oder schlechte Angewohnheiten sind in diesem Alter meist nicht mehr zu ändern.«
    Â»Sie werden weder Iida Sadamu noch sonst einen von den Tohan unterrichten«, sagte Shigeru wütend. »Ich verbiete es und mein Vater würde es auch verbieten!«
    Matsuda antwortete: »Wenn es entsprechende Schüler unter den Otori gibt, brauche ich nicht anderswo zu suchen.«
    Shigeru erinnerte sich an seine Gedanken aus der vergangenen Nacht. Alle diese Wünsche kamen ihm jetzt seicht und frivol vor. Doch jetzt für sich zu sprechen erschien ihm ebenso verachtenswert. Er hob wortlos die ihm anvertrauten Sachen auf, entschlossen, seinen Zorn und seinen Hochmut zu beherrschen.
    Sie gingen meist durch den Wald, der sich manchmalzu grasigen Hängen voller Blumen lichtete: Klee, Hahnenfuß und rosa Wicken blühten. Zweimal sprangen Hirsche überrascht davon und einmal flog vor ihren Füßen schwirrend ein Fasanenhahn auf. Milane stießen über ihnen ihre miauenden Rufe aus, ihre dunklen Flügel hoben sich vom blauen Himmel ab. Die Wolken verschwanden, der Wind kam von Süden.
    Um Mittag hielt Matsuda am Rand einer dieser Lichtungen und setzte sich im Schatten einer großen Eiche ins Gras. Er öffnete den Korb und hob einen der Behälter heraus. Sechs kleine Reiskuchen lagen auf einem Bett aus Schwarznesseln. Matsuda nahm sich einen und hielt Shigeru das Weidentablett hin.
    Shigeru legte die Hände zusammen und verbeugte sich zum Dank. In seinem Mund schien der Reiskuchen noch kleiner zu werden, und bis er ihn im Magen hatte, war er nur noch so groß wie ein Korn. Der zweite verschwand ebenso schnell und mit ebenso wenig Wirkung auf seinen Hunger.
    Matsuda fachte das Feuer an,

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