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Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels

Titel: Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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konnten.
    Damals wusste er nicht, dass sein Grab ebenso öffentlich wie anonym sein werde, dass Hunderte jeden Tag an ihm vorbeigingen, dass sein Stein die Herausforderung der Otori an die Ankömmlinge in ihrer Stadt vortragen und dass seine Stimme immer gehört werde, während er endlos mit dem Fluss redete.
    Akane war knapp fünfzehn, als sie in das Etablissement der Witwe Haruna zog und für die Mädchen dort als Magd arbeitete. Männer kamen, um Wein zu trinken und Harunas legendären gebratenen Tintenfisch und Seeigel zu essen. Die Mädchen saßen bei ihnen, ihre Gesellschaft wurde ebenso hoch geschätzt wie die anderen Dienste, die sie erwiesen, und Akane lernte, dass ein witziger Geist so anziehend war wie ein hübscher Körper, langes, seidiges Haar oder ein makelloser Nacken. Einige Mädchen sangen, sie tanzten oder spielten wie Kinder, wobei sie dem Ganzen eine zusätzliche erotische Note gaben. Harunas Etablissement war einigermaßen exklusiv, es wurde von reicheren Händlern und sogar von den Söhnen der Kriegerklasse besucht.
    In einem Versuch, die Prostitution zu kontrollieren, hatte Lord Shigemori verfügt, alle Bordelle auf einenBezirk einzuschränken, nämlich auf das neue Stadtviertel, vom Hafen aus jenseits des Flusses. Es befand sich auf der anderen Seite der Steinbrücke. Hinter Harunas Haus entsprang der Erde eine heiße Quelle und dahinter erhob sich ein kleiner Vulkan, an dessen Hängen die verschiedensten Büsche und Blumen wuchsen, die vom Berg gewärmt wurden: Kamelien, Azaleen und andere, exotischere Pflanzen, die nirgendwo sonst im Mittleren Land vorkamen. Von dem Priester, der am Schrein des Berggottes seinen Dienst versah, erzählte man sich, er liebe Pflanzen mehr als Menschen. Er sprach selten mit den Pilgern am Schrein – der Berg beschützte und verstärkte angeblich die Potenz der Männer –, sondern widmete seine Zeit vor allem der Pflege der Pflanzen, mit denen er sprach.
    Der Südhang des Vulkans war also ein guter Platz für ein Freudenhaus. Das von Haruna wurde Haus der Kamelien genannt und die Besitzerin war auf ihre Art eine Künstlerin – der Freuden. Akane, die bisher durch ihren Vater die Elemente von Schönheit und Gestaltung aufgenommen hatte, stellte fest, dass sie mit ihrem ganzen Wesen auf ihre Umgebung reagierte. Von den älteren Frauen wurde sie verwöhnt und verhätschelt, bei den Männern war sie sehr beliebt, auch wenn Haruna keinem erlaubte, sie mit in die Privaträume zu nehmen. Haruna bewachte Akane eifersüchtig, und Akane hatte nichts dagegen. Die Räume wurden privat genannt, doch mit ihren dünnen Wänden und filigranen Wandschirmen waren sie es kaum. Akane gewöhnte sich an die Geräusche und Gerüche der Begierde. Sie interessierte sich dafür, wie die Männer von den Freuden des Fleisches versklavt waren, wie verzweifelt sie Erlösung im Körper einer Frau suchten. Sie fand die Nöte, die Begierden der Männer bemitleidenswert und zugleich erregend – es schien so leicht, sie zufriedenzustellen, und so angenehm – und wesentlich verständlicher als die verzweifelte Besessenheit ihres Vaters vom unbarmherzigen Stein.
    Sie hatte eine ganz eigene Art – die sie schon als Kind kühn und unbeherrschbar erscheinen ließ. Sie erforschte die Welt um sich herum distanziert, sogar ironisch. Haruna fiel das sofort auf und sie bewunderte es, denn es machte die Männer wild. Akane, glaubte sie, mochte Männer, aber sie würde sich nie in einen verlieben. Das würde sie schützen vor der Betörung, die so viele Frauen zerstörte, wenn sie glaubten, ihre Kunden leidenschaftlich zu lieben. Die Männer waren zuerst geschmeichelt, wurden aber meistens der Forderungen und der Eifersucht bald überdrüssig. Doch Frauen wie Akane, die sich, wie die Männer wussten, nie besitzen lassen würden, zogen sie an, gingen ihnen unter die Haut und reizten sie, sodass sie jeden Preis boten, um ihr einziger Liebhaber zu sein. Doch danach wurden sie vor Eifersucht verrückt. Frauen wie Akane waren viel zu selten. Haruna würde selbst ihre Kunden auswählen und dafür sorgen, dass gut für sie bezahlt wurde. Sie entwickelte großen Ehrgeiz im Namen ihres Schützlings – und einen Plan, der ihr im Alter Einfluss und Wohlstand sichern würde –, aber darüber sprach sie mit

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