Der Clan der Wildkatzen
Kirris Bauch ein. Eine Sekunde lang sah man nur noch ein Gewirr aus braunem und weißem Fell– und dann nichts mehr.
Miao blinzelte, Southpaw ebenfalls. Kirri war verschwunden und ins wispernde Gras eingetaucht.
» Das war knapp«, sagte Miao. » Und jetzt weißt du, dass du einem Raubtier niemals vertrauen darfst. Tut mir leid, dass ich dich gekniffen habe, aber du hast dich ihr ins Maul gebeugt wie ein Kätzchen, das noch feucht hinter den Ohren ist und absolut nichts übers Jagen weiß.«
Southpaw schämte sich und versuchte krampfhaft, den brennenden Schmerz an der Stelle zu ignorieren, wo Kirri ihm das Ohr aufgerissen hatte. » Es ist nur… Sie war so faszinierend.«
» Das trifft auf die meisten Mungos zu. Und bei allem was faszinierend ist, solltest du lieber vorsichtig sein, kleiner Southpaw, denn es ist gefährlich. Und jetzt ab nach Hause. Es ist Zeit zum Ausruhen.«
Über ihren Köpfen kreiste eine Eule und schrie. Sie fragte sich, ob die Katzen eine gute Beute abgeben würden. Während das Kätzchen sich vielleicht noch dazu anbot, war die andere Katze zu groß, und die Eule wollte ihr hübsches Gefieder nicht in Gefahr bringen.
Die Ratten und Mäuse auf dem leeren Grundstück schnüffelten an den Resten von Blut und Fell, die darauf hindeuteten, dass drei ihrer Gefährten von ihnen gegangen waren, und überall wurde die Parole ausgegeben, vorsichtiger zu sein: In Nizamuddin war ein neuer, junger, ehrgeiziger Jäger aufgetaucht. Und dann breitete sich im langen purpurfarbenen Gras wieder Stille aus, die nur von gelegentlichem Rascheln unterbrochen wurde. Falls Kirri dort war, erlegte sie keine weitere Beute, und nichts anderes störte für den Rest der Nacht den Frieden in Nizamuddin.
» Kannst du nicht ein bisschen leiser sein?«, bettelte Southpaw.
Mara schnaubte. Bei seinen beiden letzten Besuchen hatte sie sich viel besser mit ihm verbinden können, und sie hatten gemeinsam mit viel Vergnügen Triff-den-Ball und Jag-deinen-Schwanz gespielt, doch heute schien er wieder einen Rückschritt gemacht zu haben und führte sich auf wie der große, böse Raufbold.
» Mara, das hat wehgetan!«, sagte Southpaw. Er hatte die Ohren flach angelegt und schnaubte verärgert. » Außerdem bin ich kein Raufbold. Ich versuche dir nur beizubringen, wie man jagt.«
» Ich will nicht jagen! Ich hasse jagen! Geh weg, Southpaw.«
» Hey!«
» Tut mir leid.«
In gegenseitigem Einverständnis machten die Kätzchen eine Pause und putzten sich. Southpaw leckte ihr die Flanken und die Schwanzspitze ab und fragte sich, was er mit Mara anstellen sollte. Heute war seine Spielkameradin sehr stur, und er hatte keine Ahnung, warum sie so stark sendete – es war schmerzhaft, wenn man der Empfänger war, so als würde man in seinem eigenen Kopf Prügel beziehen.
Mara putzte sich dreimal die Schnurrhaare, während sie sich darauf konzentrierte, ihre Gedanken für sich zu behalten. Sie dachte eigentlich gar nicht, dass Southpaw ein Raufbold war, jedenfalls jetzt nicht mehr– er war zum Beispiel sehr geduldig gewesen, als sie versehentlich seinen Schwanz anstelle ihres eigenen gejagt hatte. Aber sie verstand einfach nicht, warum er wegen dieses Jagdausflugs so aufgeregt war.
Und jedes Mal wenn ihre Gedanken aus ihrem Kopf in die Öffentlichkeit der Katzen hinausdrängten, ärgerte sie sich mehr darüber. Sie machte es ja gar nicht absichtlich, sie musste sich nur einfach so sehr anstrengen, damit sie ihre privaten Gedanken für sich behielt. Und wenn sie sich aufregte, wurde das Ganze noch schwieriger.
»Und warum sollte ich lernen wollen, eine Maus zu töten, wenn doch klar ist, dass das Fressen in hübschen rosa Plastikschüsseln serviert wird …«
» Mara, schon wieder! Hör auf! Ich bekomme Kopfschmerzen davon!«
» Tut mir leid!«
Die Kätzchen starrten einander an. Maras Schnurrhaare hingen herab.
» Tut mir leid, Southpaw«, sagte sie. » Ich verstehe diese Geschichte mit dem Jagen nicht, und offensichtlich fällt es mir heute schwer, meine Gedanken abzuschalten. Aber warum bist du eigentlich so aufgeregt wegen dieser Sache– was ist denn so toll daran?«
Southpaw schnaufte ungeduldig, aber Mara sah ihn mit solcher Neugier an, dass er aufhörte, kurz nachdachte und dann einen Erklärungsversuch startete.
» …und dann lief die Maus nach rechts, aber ich hatte ihr schon den Weg versperrt, und Miao sicherte die linke Flanke, daher war es nicht schwer.«
Mara schob ein Knäuel Fäden über den Boden hin und
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