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Der Clan der Wildkatzen

Der Clan der Wildkatzen

Titel: Der Clan der Wildkatzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbj Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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niemals tun«, schimpfte sie. » Du musst immer zuerst sichergehen, dass deine Beute wirklich tot ist und nicht nur betäubt.« Sie bewegte sich vorsichtig auf die Ratte zu und beobachtete sie ein paar Sekunden lang. Dann schoss ihre Pfote vor und sie schleuderte ihre Beute durch die Luft. Die Ratte landete auf Southpaws Flanke.
    Miao blieb, wo sie war. Als Southpaw in ihre Richtung blickte, sagte sie nichts, und ihre Augen wurden undurchsichtig. » Deine Beute«, sagte er höflich.
    Die Ratte hatte ihm mit den gelben Zähnen in den Bauch gebissen und versuchte nun zu fliehen.
    » Solange sie nicht tot ist, ist sie niemandes Beute«, sagte Miao.
    Er betrachtete die Ratte und sie sah ihn an. In ihren Augen standen Angst und Wut zu gleichen Teilen und der kleine Kater zögerte. Seine Instinkte drängten ihn, das Tier zu töten– beim Gedanken an den Geschmack von Fleisch und Blut lief ihm das Wasser im Mäulchen zusammen. Aber die Ratte war größer, als er gedacht hatte, und ihre Zähne waren scharf. Das Blut, das er momentan roch, stammte nicht nur von ihr.
    Southpaw streckte die Schnurrhaare aus und hätte beinahe ein weiteres verloren, als die Ratte wider Erwarten auf ihn zurannte, statt zu fliehen. Ihre Augen waren glasig von dem Blutverlust, aber sie versuchte trotzdem, ihn zu beißen, und schlitterte an seiner linken Flanke vorbei. Der kleine Kater fuhr herum. Die Ratte wendete ebenfalls und hielt sich stets nahe an seiner Hinterpfote. Southpaw zog gerade noch rechtzeitig den Schwanz zur Seite, um nicht erneut gebissen zu werden.
    Seine Pfotenballen schwitzten. Er konnte Miao nicht mehr sehen und nahm auch den Pfad, die Rattenlöcher, die Wandelröschenbüsche und das Gras nicht mehr wahr. Er hatte nur noch Augen für die Ratte, die ihren Körper immer wieder anspannte, während sie sich vorbereitete, um ihn zu umkreisen und hinter ihn zu schlüpfen– und er fuhr herum und überraschte das kleine Tier und packte es mit den Zähnen und mit den Krallen.
    Wieder flog die Ratte durch die Luft, doch diesmal blieb ihr Körper nach dem Aufprall still und starr. Doch Southpaw ging kein Risiko ein. Er schlug zwei-, dreimal auf die Ratte ein, bis er sich vergewissert hatte, dass sie tot war, und selbst dann, als ihm voller Vorfreude schon das Wasser im Maul zusammenlief, beherrschte er sich mühevoll und wandte sich zu Miao um.
    » Deine Beute«, sagte er.
    Miao kam zu ihm hinüber und untersuchte die Ratte. Auch sie schlug zweimal zu, um sicherzugehen, dass sie tot war. Dann riss sie vorsichtig die Kehle heraus, die als Delikatesse angesehen wurde. Southpaw wandte sich ab. Nur jungen Kätzchen läuft der Speichel aus dem Maul , ermahnte er sich. Und er bemühte sich, angesichts des frischen, zarten Rattenfleischs nicht zu sabbern.
    » Deine Beute, denke ich«, sagte Miao. Sie ließ die Kehle der Ratte vor ihm fallen, und als Southpaw sich nicht rührte, drückte sie das Maul des kleinen Katers sanft nach unten. Er brauchte keine zweite Einladung und dann fraßen sie gemeinsam. Miao bediente sich am köstlichen Bauch, während Southpaw Rücken und Schwanz genoss.
    » Du hast gut getötet fürs erste Mal«, sagte Miao, als sie fertig waren. » Es gibt noch Spielraum für Verbesserungen, aber das war nicht schlecht, junger Southpaw.«
    Southpaw rieb dankbar sein Gesicht an ihrem und schnurrte.
    Miao überließ ihm die beiden nächsten Angriffe: eine Maus und eine Spitzmaus, die beide leicht zu erledigen waren, nachdem er den Trick heraushatte, mit ausgefahrenen Krallen zu springen. Beide Male hatte Southpaw Angst: Selbst das kleinste Beutetier konnte ihn verletzen, und zwar vor allem deshalb, weil es wusste, dass es um sein Leben kämpfte. Aber Miao schaute ihm zu, wie er seine Unsicherheit überwand, und sie dachte, er würde eines Tages einen guten Krieger abgeben. Ihrer Erfahrung nach war es nicht die Größe einer Katze, die zählte, und auch nicht die Schnelligkeit der Pfoten oder die Schärfe der Krallen, sondern vor allem die Fähigkeit, die eigene Angst zu beherrschen.
    Während sie durch das lange Gras zogen und die Rattentunnel in Augenschein nahmen, erkundeten sie einen verrottenden Haufen Äste und folgten Duftspuren im Schlamm. Langsam begriff Southpaw, dass Jagen nicht nur aus Töten bestand. Er pirschte sich an weitere Mäuse heran, nur der Übung halber, aber Miao bremste ihn, als er töten wollte. » Töte niemals zum Spaß«, sagte sie. » Nur wenn du fressen willst. Töte nicht, wenn du einen vollen

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