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Der Clan der Wölfe 1: Donnerherz (German Edition)

Der Clan der Wölfe 1: Donnerherz (German Edition)

Titel: Der Clan der Wölfe 1: Donnerherz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Lasky
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All die Jahre hatte sie die missgebildeten Welpen fortgetragen, weil das Gesetz des Clans es verlangte. Nicht sie machte diese Gesetze. Sie hatte sie nur befolgt – zum Wohl des Clans, wie Duncan MacDuncan immer erklärte. Es würde der Blutlinie schaden, wenn man Malcadhs leben ließe, ohne dass sie um ihr Überleben kämpfen mussten. Die wenigen, die es in den Clan zurückschafften, waren außergewöhnliche Welpen, die oft zu außergewöhnlichen Wölfen heranwuchsen. Aber um diejenigen, die nicht überlebten, durfte das Rudel nicht trauern. So lautete das Gesetz der Wildnis. Shibaan hatte nie getrauert, bis zu diesem Moment … jetzt, da sie starb. Werde ich dafür bestraft? Gibt es irgendwo ein Oberhaupt, das noch über Duncan MacDuncan steht und mich aus der Höhle der Seelen verbannen wird?
    Eine große Angst stieg in ihr auf. Obwohl die untere Hälfte ihres Körpers taub war und sie keinen richtigen Schmerz spürte, quälte sie etwas noch viel Schlimmeres. Es war ein neues Gefühl: Trauer, vermischt mit Angst. Und plötzlich erinnerte sie sich an jedes einzelne dieser Jungen – das erste mit den milchigen Augen, das blind geboren war. An eines, das nur drei Beine hatte, an das Ohrenlose, das Schwanzlose, an einige mit verdrehten Hüften, die nie laufen gelernt hätten. Und schließlich an das Junge vom Vorjahr mit der gespreizten Pfote und jener seltsamen Zeichnung aus kreisenden Linien an seinem Fußpolster. Irgendwie hatte ihr dieses Junge mehr zugesetzt als alle anderen – sie konnte es damals gar nicht schnell genug loswerden.
    An dem winzigen Jungen mit der halben Pfote, das sie an diesem Tag ausgesetzt hatte, war nichts Erschreckendes oder Verstörendes gewesen. Während die Taubheit in ihrem Körper hochkroch, stellte sie sich vor, wie sie zurücklaufen und das kleine Halbpfoten-Junge retten würde.
    Plötzlich kam es ihr vor, als träte sie aus ihrem Körper heraus. Leichtfüßig sprang sie den steilen Hang hinauf, hüpfte über Felsblöcke und rannte, so schnell sie konnte, zu dem Elchpfad. Bald hatte sie ihn erreicht. Sie erinnerte sich an jede Biegung, jeden Kieselstein. Ein winziges Geschöpf tauchte direkt vor ihr auf. Erleichterung durchströmte sie. Im selben Moment überfiel sie eine seltsame Empfindung, eine Regung, die sie noch nie in den eingeschrumpelten Zitzen an ihrem Bauch wahrgenommen hatte. Auf einmal fühlten sie sich nicht mehr klein und hart an. Milch , dachte sie. Da kommt Milch! Ich werde dieses Junge säugen. Eine ungeahnte Freude stieg in ihr auf. Die Elche waren noch nicht gekommen. Der Himmel war frei von Eulen. Nur der Sternenpfad schimmerte über ihr.
    Duncan MacDuncan, das weise Oberhaupt des Duncan-MacDuncan-Clans, trat aus dem Heulen der Nacht und verkündete den weit verstreuten Rudeln seines ehrwürdigen alten Clans, dass Carreg Gaer, das Rudel des Clanführers, das Erdbeben heil überstanden hatte. An die Obea und ihre Mission dachte er nicht mehr – bis er den Kopf zurückwarf und heulte. Sein Blick fiel auf das Sternbild des Großen Wolfs, das am Osthimmel aufging. Er sah, wie sich ein goldbrauner Nebel am Kopf des Sternenwolfs sammelte, und da wusste er, dass Shibaan gestorben war. Er erkannte sie sofort, denn er hatte sie einmal gesehen, lange bevor sie sich dem Clan der MacDuncan angeschlossen hatte, als sie noch jung und golden gewesen war. Und so heulte er seinen Abschiedsgruß in die Grenzenlosigkeit der Nacht. „Du hast uns verlassen, Obea. Dein Opfer hat uns stärker gemacht. Jetzt folgst du dem Sternenpfad, Shibaan. Du hast uns gut gedient.“ Er blinzelte und dann heulte er vor Glück, denn ein gutes Dutzend kleiner Sternenwölfchen lief aus der himmlischen Höhle der Seelen hervor, um Shibaan zu begrüßen. Ein Wolfsjunges folgte der Obea und dort, wo seine Hinterpfote den Pfad hätte berühren müssen, leuchtete nur ein kleiner Stern.

Faolan trat näher an die wundersame Felswand mit den Tiergestalten heran. Waren diese Geschöpfe lebendig oder bloß Fantasie? Atmet die Wand? Oder ist es nur Felsgestein? Träume oder wache ich? Die Bilder glichen irgendwie den Sternbildern, die Donnerherz ihm immer mit ihren scharfen schwarzen Klauen gezeigt hatte. Sie sahen nur viel echter aus. Und er hatte die Tiere, die hier über den Stein sprangen, richtig keuchen gehört! Er ging dicht an die Felswand heran, um sie zu beschnüffeln. Aber es war nur Felsgestein – stumm, kalt und unbewegt.
    Faolan hob die Schnauze und erkundete den Geruch der Höhle. Er

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