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Der Clan

Titel: Der Clan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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nichts aus. Wer immer bei ihm war, Großvater wirkte immer wie der Größte.
    Er streckte mir die Hand entgegen. »Gib mir den Revolver, Angelo.«
    Ich forschte in seinen Augen nach einem Zeichen des Mißvergnügens, konnte aber keines entdecken. Sie waren dunkelbraun, fast so schwarz wie sein Haar, und unergründlich. Schweigend gab ich ihm den Revolver.
    Er nahm ihn in die Hand und sah ihn mißbilligend an. Er wandte sich an Gianni. »Wer hat ihm das geschenkt?«
    »Es ist ja nur ein Spielzeug, padrone.« Gianni hätte sich gern verbeugt, doch mit mir auf seinen Schultern gelang es ihm nicht. »Das ist mir gleich«, erklärte mein Großvater entschieden. »Wenn ich nicht irre, habe ich Waffen verboten. Auch Spielzeugwaffen. Sie sind schlecht für Kinder.«
    Diesmal gelang es Gianni, sich trotz seiner Last zu verneigen. »Si, padrone.«
    Großvater gab ihm den Revolver. »Wirf ihn fort!« sagte er, dann hob er mir die Arme entgegen. »Komm, Angelo.«
    Ich glitt von Giannis Schultern in Großvaters Arme, froh, daß er mit mir nicht böse war. Großvater küßte mich, als er mich über die Stufen ins Haus trug. »Revolver sind gefährlich für Kinder«, erklärte er. »Auch Spielzeugrevolver.«
    Wir gingen ins Wohnzimmer, wo meine Eltern warteten. Kaum sah ihn meine Mutter, begann sie zu weinen. Großvater nahm mich unbeholfen auf den einen Arm und legte den anderen um Mutter. »Aber, aber, Jenny«, sagte er sanft. »Wein doch nicht. Sizilien ist nicht das Ende der Welt.«
    »Aber du wirst so weit weg von uns sein«, schluchzte sie.
    Auch ich begann zu weinen. »Ich will nicht, daß du fortgehst, Großpapa!«
    »Da siehst du, Jenny, was du angestellt hast«, meinte Großvater vorwurfsvoll. »Du hast ihn zum Weinen gebracht.« Er wandte sich an meinen Vater. »Dottore, sag deiner Frau, sie soll das sein lassen. Es tut Angelo nicht gut, sich so aufzuregen.«
    Die Augen meines Vaters waren auch nicht gerade trocken, und ich benutzte die Gelegenheit seines kurzen Zögerns, um noch stärker zu brüllen.
    »Ich will nicht, daß du von mir fortgehst, Großpapa!« Heftig schluchzend klammerte ich mich an ihn.
    Diesmal war ich so laut gewesen, daß sogar meine Mutter zu weinen aufhörte. »Er wird hysterisch!« sagte sie und griff nach mir. Mein Großvater schob ihre Arme weg. »Hab’ ich es dir nicht gesagt?« bemerkte er triumphierend. »Laßt nur, Großpapa wird ihn beruhigen.«
    Meine Mutter schwieg, und Großvater drehte mich in seinen Armen um, so daß ich ihm ins Gesicht sehen konnte. »Ich verlasse dich nicht, Angelo mio«, sagte er. »Ich fahre nach Sizilien, nach Marsala und Trapani, wo ich geboren bin.«
    Ich verlor an Boden, aber er hatte wenigstens den Revolver vergessen. Ich versuchte es mit noch einem Schrei. »Ich werde dich nie wiedersehen!«
    Nun füllten sich seine Augen mit Tränen. Er drückte mich so fest an sich, daß ich kaum atmen konnte. »Aber natürlich siehst du mich wieder«, sagte er mit erstickter Stimme. »Du kannst mich im Sommer mit deinen Eltern besuchen, und ich zeige dir die Weingärten und Olivenhaine am Abhang des Monte Erice, wo dein Großvater aufgewachsen ist.«
    »Dürfen wir dort Cowboy und Indianer spielen?« fragte ich mit großen Augen.
    »Nein, das ist ein böses Spiel«, erklärte er. »Alle Spiele, bei denen man spielt, daß man Menschen tötet, sind böse. Du sollst so werden wie dein Vater, ein Arzt, da kannst du Menschen retten, nicht töten.« Er sah mich an, nicht ganz sicher, ob ich ihn verstand. »Außerdem gibt es in Sizilien keine Indianer«, fügte er hinzu.
    »Nur brave Leute?« fragte ich.
    Er wußte, wann er besiegt war. »In Sizilien gibt es nur gute Leute«, behauptete er, gab die Diskussion auf und nahm Zuflucht zu seiner letzten Waffe, der Bestechung. »Außerdem wird dir Großpapa von dort ein ganz besonderes Geschenk schicken.«
    »Was für ein Geschenk?« wollte ich wissen.
    »Was du möchtest. Sag es nur deinem Großpapa.«
    Ich dachte eine Weile nach, da fiel mir der Film ein, den ich die Woche zuvor mit Gianni gesehen hatte und in dem Monte Blue einen tollkühnen Rennfahrer spielte. »Einen echten Rennwagen, den ich fahren kann?« schlug ich versuchsweise vor.
    »Wenn mein Angelo einen haben will, bekommt er ihn. Ich lasse dir einen Spezial-Bugatti-Rennwagen bauen!«
    Ich preßte meine Arme um seinen Hals. »Danke, Großpapa.« Ich küßte ihn.
    Er wandte sich an meine Eltern. »Seht ihr«, sagte er triumphierend. »Ich habe es euch gesagt. Jetzt ist

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