Der Clan
alles wieder gut.«
Während dieser ganzen Szene hatte der Mann, der mit uns hereingekommen war, uns beobachtet und dabei gewissermaßen in sich hineingelächelt. Nun winkte ihm mein Großvater. »Kommen Sie her, Jake. Das ist mein Sohn, Dr. John Perino«, sagte er stolz, »und seine Frau Jenny. Und hier ist Richter Jacob Weinstein, von dem ich euch erzählt habe.«
Richter Weinstein, ein braunhaariger Mann, etwa so groß und so alt wie mein Vater, schüttelte meinen Eltern die Hände.
»Vergessen Sie mich nicht«, sagte ich und streckte die Hand aus. Er ergriff sie lächelnd. »Ich glaube nicht, daß ich das kann.«
»Ich habe mit Jake einen Vertrag abgeschlossen. Solange er lebt, wird er sich in meiner Abwesenheit um die geschäftlichen Angelegenheiten der Familie kümmern«, erklärte Großvater und stellte mich auf den Boden. »Nun geh wieder spielen, während ich mit deinem Vater und dem Richter über Geschäfte spreche.«
»Komm mit mir in die Küche«, sagte meine Mutter schnell. »Ich habe gerade Plätzchen gebacken. Du kannst ein Glas Milch dazu trinken.«
Sie faßte mich an der Hand und wollte mich zur Tür fuhren. Ich wehrte mich, bis sie stehenblieb, und fragte: »Großpapa, sehe ich dich noch einmal, bevor du fortgehst?«
Großvater hielt den Atem an, und ich bemerkte, daß seine Augen wieder feucht waren. »Bevor ich fortgehe«, brachte er mühsam hervor.
Ungefähr eine Stunde später standen wir auf den Stufen vor dem Haus und winkten meinem Großvater zum Abschied nach, während der große Duesenberg durch die Ausfahrt rollte. Ich sah, wie er mich noch durch das Rückfenster anblickte, und winkte wilder. Er hob die Hand, dann verschwand der Wagen am Ende der Ausfahrt. Wir blieben noch einen Augenblick stehen. Ich sagte zu meinen Eltern: »Die Männer, die auf Großpapa warteten, trugen Revolver unter ihren Jacken. Ob sie wohl wissen, daß Großpapa Revolver nicht leiden mag?«
Meine Eltern starrten sich eine Weile an, dann füllten sich die Augen meiner Mutter wieder mit Tränen. Vater hob mich mit einem Arm hoch und legte den anderen um Mutters Schulter. So standen wir lange schweigend auf der Treppe. Meine Mutter verbarg ihr Gesicht an Vaters Brust. Auch in den Augen meines Vaters standen noch unvergessene Tränen. Ich spürte eine merkwürdige Beklemmung in der Kehle. Es gab so vieles, was ich nicht verstand.
Aber ich würde im Laufe der Zeit so manches davon begreifen. Zum Beispiel, daß die beiden Männer, die auf Großvater gewartet hatten, Bundesbeamte waren. Sie wollten ihn nach New York bringen, wo er sich nach Italien einschiffte. Daß Richter Weinstein oder Onkel Jake, wie ich ihn bald nannte, eigentlich kein Richter war, sondern ein Rechtsanwalt, deralle geschäftlichen Angelegenheiten Großvaters erledigte.
Nach Großvaters Abreise und fast bis zur Zeit, in der ich das College verließ, also viele Jahre, kam Onkel Jake einmal im Monat am Sonntag zu uns zum Abendessen.
Als ich dann kurz nach meinem einundzwanzigsten Geburtstag Anfang Januar 1952 die Ferien der Technischen Hochschule zu Hause verbrachte, erfuhr ich, wie reich mein Großvater tatsächlich gewesen war. Zu der Zeit war mein Anteil an seinem Nachlaß unter Onkel Jakes vorsichtiger Verwaltung auf über fünfundzwanzig Millionen Dollar angewachsen, und der meiner Eltern auf das Doppelte.
Ich erinnere mich, wie ich meinen Vater und Onkel Jake völlig verblüfft ansah. Ich wußte, daß wir wohlhabend, aber nicht, daß wir reich waren. »Was fange ich denn mit so viel Geld an?« fragte ich.
»Das sollst du jetzt lernen«, sagte mein Vater ernst. »Denn eines Tages gehört dir alles.«
»Ich würde vorschlagen, daß du nach Beendigung deines Studiums noch die Harvard Business School besuchst«, meinte Onkel Jake. »Aber mich interessieren Geschäfte nicht«, widersprach ich. »Mich interessieren Autos.«
»Auch Autos sind ein Geschäft«, erklärte Onkel Jake.
»Die meinen nicht«, sagte ich. »Die kosten nur Geld.«
»Nun, das kannst du dir ja leisten.«
»So viel brauche ich dazu nicht«, meinte ich.
»Dann schlage ich vor, du kaufst Investmentzertifikate und läßt sie durch die Bank verwalten.«
»Warum kannst du nicht einfach so weitermachen wie bisher?« fragte ich. »Ich erinnere mich, daß Großvater mit dir einen Vertrag auf Lebenszeit geschlossen hat. Wenn ihm das recht war, dann ist es mir auch recht.«
Er warf meinem Vater einen Blick zu. »Tut mir leid«, antwortete er. »Aber das geht
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