Der Clan
hielt ich zwei Aktendeckel in der Hand.
Ich ließ mich auf die Couch fallen und öffnete sie. Im ersten war der Brief aus Lorens Tresor.
Ich las ihn schnell durch. Er enthielt fast Wort für Wort, was Bobbie mir erzählt hatte. Ich legte ihn wieder in den Aktendeckel und öffnete den anderen.
Hier war, was ich haben wollte, und noch mehr: Namen, Daten, Orte, alles. Sogar Fotokopien von den Schecks, die er erhalten hatte, und von seinen Ausgaben. Simpson mußte ein Narr sein, solche Aufzeichnungen aufzuheben. Oder aber er plante eine spätere Erpressung. Und wie ich ihn kannte, war es wohl das letztere. Ich schaute auf. Alle standen sie dort und beobachteten mich besorgt. Vater, Mutter und Cindy. Sogar Gianni stand auf der Schwelle und sah mich an.
»War es das, was du haben wolltest?« fragte mein Vater.
Ich lächelte. Plötzlich war der ganze Druck fort, der auf mir gelastet hatte. Ich sprang hoch, küßte meinen Vater, küßte Cindy und begann mit meiner Mutter umherzutanzen. »He, Papa!« sagte ich und schaute ihn über die Schulter an. »Wer sagt, daß Großvater nicht über uns wacht?«
Meine Mutter hörte auf zu tanzen und bekreuzigte sich. »Er
ist droben im Himmel bei den Engeln«, sagte sie feierlich. »Und sorgt für seine Kinder.«
Weil ich mich mit dem Pflaster auf meinen Rippen nicht selbst ans Steuer setzen konnte, fuhr mich Cindy um acht Uhr dreißig zum Verwaltungsgebäude. »Soll ich dich nachher wieder abholen?« fragte sie. Ich hielt den Atem an. Es war gar nicht so leicht, mit einigen gebrochenen Rippen aus dem Maserati zu steigen. »Nein«, antwortete ich, »fahr nur zurück zum Hotel. Ich nehme mir ein Taxi und hole dich zum Essen ab, sobald ich fertig bin.«
»In Ordnung«, sagte sie lächelnd und ballte die Faust mit nach oben zeigendem Daumen.
Ich erwiderte grinsend ihre Geste, und sie fuhr ab. Ich betrat das Gebäude und ging sofort in mein Büro. Meine Sekretärin war noch nicht da, was mir ganz angenehm war. Ich setzte mich an ihren Schreibtisch, legte ein Blatt Papier in ihre Schreibmaschine ein und tippte ein paar Sätze.
Kaum war ich fertig, da kam sie, um zehn Minuten vor neun. Ich zog das letzte Blatt aus der Maschine, unterschrieb es und steckte es in meine Innentasche.
»Wie geht es Ihnen, Mr. Perino?« fragte sie. »Besser?«
»Viel besser.«
»Es war für uns alle ein großer Schock, als wir hörten, was vorgefallen ist«, sagte sie.
»Nicht mehr als für mich.« Ich nahm meine Aktentasche vom Tisch. »Ich gehe zu Nummer Eins ins Büro.«
»Vergessen Sie nicht die Aktionärsversammlung um neun Uhr!«
»Ach nein«, sagte ich, als hätte ich diese Mahnung gebraucht.
Nummer Eins war noch nicht da. »Er kommt heute etwas später«, berichtete seine Sekretärin. »Er mußte unterwegs noch einen Besuch machen.«
Ich ging zurück in mein Büro, trank eine Tasse Kaffee und begab mich um Punkt neun Uhr in den Sitzungssaal. Der Raum war dicht besetzt, es waren alle da außer Nummer Eins.
Loren III klopfte mit dem kleinen Hammer auf den Tisch, und die Gespräche verstummten. »Ich bin soeben benachrichtigt worden, daß mein Großvater einige Minuten später kommt«, begann er. »Während wir auf ihn warten, werde ich kurz einige Veränderungen im Verfahren erklären, die ausschließlich für die heutigen Sitzungen der Aktionäre und der Direktoren vorgenommen wurden. Diese Änderungen sind meinem Großvater unterbreitet worden, und er ist damit einverstanden.«
Er machte eine kurze Pause, seine Augen schweiften rund um den Tisch. Ich glaube nicht, daß er mich gleich erkannte, denn er warf mir einen kurzen zweiten Blick zu, ehe seine Augen weiterwanderten. Aber ich konnte mich auch irren.
»Es sind sowohl die Aktionäre als auch die Direktoren eingeladen worden, an beiden Sitzungen teilzunehmen«, sagte er. »Bei der Aktionärssitzung werden sich die Direktoren, die nicht Aktionäre sind, vom Tisch zu den Sitzen zurückziehen, die für sie hier im Raum vorgesehen sind. Am Tisch sitzen zusammen mit den unmittelbaren Aktionären auch jene Kuratoren der Hardeman-Stiftung, die heute das Stimmrecht für die im Besitz der Stiftung befindlichen Aktien ausüben. Ich möchte der Gesellschaft diese noch außer mir anwesenden Kuratoren vorstellen.«
Er machte eine kurze Pause. »Meine Schwester, Prinzessin Anne Elisabeth Alekhine.«
Anne, ganz Prinzessin, in einem schicken Pariser Tailleur, nickte hoheitsvoll und lehnte sich wieder auf ihrem Platz rechts von ihrem Bruder
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