Der Clown ohne Ort
mit weit aufgerissenen Treuaugen zu ihm hoch. Sechsjähriger. Bescherung. Naïn sieht keine Weihnachtsmänner. Lucard schleckt noch mal den Pimmel sauber, als schmecke Sperma ganz besonders gut. Auch okay. Man ist ja mono- und polyamorisch, der Schönheit hässliche Wörter bescheren, ist das nicht toll? Und es zerreißt uns und er denkt: Ich hab Lust auf ’ne Kippe und ’nen Wodka. Jetzt steht Lucard vor ihm. »Wir sind jetzt quitt«, sagt Naïn. Pause. Lucard kapiert es nicht. »Ich mag dich«, sagt der und küsst Naïn auf den Mund. Dem Verderben sieht der ins Gesicht. Liebe ist die schönere Tristesse. Gott, ist man glücklich.
»Ich habe nicht mit ihm geschlafen.«
»Klar.«
»Er hat mir nur einen geblasen.«
»Na und? Wie isses im Vergleich?«
»Zu ’ner Frau?«
»Nee, zu Hare Krishna.«
»Na anders – aber auch gleich, irgendwie. Keine Ahnung.«
»Besser?«
»Weiß nicht. Anders.«
»Aha.«
»Was erwartest du? Ich halte dir jetzt bestimmt ’nen Vortrag über den Unterschied von weiblicher und männlicher Fellatio! Wenn überhaupt, ist das was Mentales – und auch wieder nicht – was weiß ich denn!«
»Issjagut.«
»Ich war ganz schön weggeschossen. Das war zu schnell, zu heftig. Ich hab die ganze Zeit an irgend’ne abgefahrene Narzissmusgeschichte gedacht. Das war die Lösung aller Probleme. Ich hab alles verstanden und der Liebesschwall, viel heftiger als sonst. Wie beim ersten Mal hat sich das angefühlt.«
»Das liebe MDMA.«
»Muss noch was anderes gewesen sein. Das war ’n bisschen wie Keta … und das ganze andere Zeug.«
Jetzt läuft es ihm kalt den Rücken runter. Eisig sinken die letzten Stunden ins Zwerchfell, dass es ihm den Atem fällt, die Befürchtung einer größtmöglichen Katastrophe, Substrat diffuser Erinnerungsschübe.
»Mir geht’s gerade nicht gut, sagt er zeternd.«
»Komm, leg dich hin. Das ist der Schock«, sagt B. Da ist was in mir gebrochen, will er sagen; er legt sich in ihren Schoß. Beinahe abgekratzt, Seins verbrannt, diese unnahbare Stille, ein leidenschaftlicher Mensch. Das Stoische ihrer Züge, die darunter leuchtende, unbändige Kraft, das In-sich-Ruhen, Bei-sich-Sein. Naïn beneidet sie um die Gabe, sich völlig hinzugeben, fast autistisch noch dem Geringsten ihre absolute Aufmerksamkeit zu schenken, als tanze sie in ihren Gedanken mit einem brennenden Streichholz Tango. Eine schöne Form des Wahnsinns. Er hat sie schon ungewollt aus diesen Tagträumen aufgeschreckt. Wie verletzlich sie da ist, als hätte er sie einer besseren Welt entrissen. Er weiß nicht, ob die hell oder dunkel ist.
Dann wieder hat sie komische Energieschübe, gibt sich der Sinnlosigkeit hin, etwas zu erreichen, ist hoch produktiv, kommt voran. Wohin auch immer, sagt sie dann pflichtschuldig, ohne Sarkasmus und Ironie. Auch da ist sie bei sich, wie jetzt: ganz weit weg bei sich. Jetzt lächelt sie, mütterlich fast, legt ihre Hände auf seine Stirn. Sie fühlen sich kühl an.
»Du glühst«, sagt sie.
Naïn schläft ruhig, nur kurz wacht er auf, stumpf, taub mäandert er vom Sofa zum Pinkeln und Trinken, als schlafwandele er, nur: er ist wach, er sieht, spürt sich, bloß steht da eine Art Realitätsblockade,
introvertierter Deus
ex machina.
blütenhirn
das gebinde uni färben
black
Mit einem Totschläger in der Hose wacht er auf.
/ / / A er schiebt die Decke runter A er packt ihn aus A spielt damit rum A »Na du musst ja was Nettes geträumt haben!« A wie? A spielen A B A B X X hallo B X Hände in falschen Universen unterwegs, vergiss das Handtuch nicht! X VERGISS DAS HANDTUCH NICHT! X. X guten morg’n … sie setzt sich auf mich X nichts drunter X was machst X du X sie fasst ihn an X sie fasst ihn an! X sie fasst ihn A X a X aaa / »ich« / / / Flyer auf dem Tisch: Karma ist Karma Baby!
lieber
Ein Falkenpärchen balzt hoch in der Luft. Jetzt fällt es als balgender Federklumpen wie ein Stein vom Himmel, verschwindet kurz hinter der nächsten Kuppe, steigt gleich wieder in einer steilen Kurve majestätisch in die Höhe. Zu lange dürfte ich nicht geschlafen haben, fast an gleicher Stelle steht die Sonne.
L hatte mich vor endgültiger Resignation bewahrt, Apathie, Nihilismus vielleicht, wie Vater schrieb, Hoffnungslosigkeit meinerseits, deretwegen der Verstand schon oft euphorisch implodierte, Utopien, Selbstschutz, Mechanismen.
Schon wenige Jahre später zerfleischten sich die Menschen, als müssten, als könnten die über Jahrzehnte aufgebauten Spannungen
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