Der Clown ohne Ort
traurig und wütend, und die Hütte verstand, obwohl sie es nicht verstand.
Noch nie hatte sie einen so komischen Mann gesehen und sie hielt ihn für einen Krieger, einen König, einen Kaiser gar, von Himmel und Hölle geschickt, und sie meinete, man müsse dem Rasenden Glauben schenken, und die Hütte hatte recht, obwohl sie unrecht hatte.
Sie lag da und rührte sich nicht. Es gewitterte jetzt viel öfter so holzbetäubend laut, dass sie glaubte, es glitzere drinnen wie draußen. Das Blut floss jetzt in sprudelnden Bächen zwischen den Balken und sie wusste immer noch nicht, ob es ihres war.
Schließlich, viel zu spät, ward sie des Blutens und Blitzens und Donnerns und Glitzerns überdrüssig und fluchte und flehte und wusste nicht, wen:
Alles verschwindet, gleich kommt es wieder.
Mehr als je wollte sie jetzt mit Wind und Zeiten von dannen ziehen. Schließlich kam eines Tages eine himmlische Ruhe übers Land, die Blutströme versiegten. Eine schlohwaise Frau legte sich auf den Balkenhaufen, die sah aus wie eine traurige, schmutzige Hexe. Fast meinte die Hütte, das gute, kleine Mädchen in ihr zu erkennen. Die Alte aber lachte und weinte nur bitterlich und wippte ihren Kopf vor und zurück und sprach pausenlos das Immergleiche:
Alles verschwindet, kommt nimmermehr wieder, nimmermehr wieder, nimmermehr wieder.
Und wie sie so lachte und weinte und ihren Kopf wippte und das Immergleiche sprach, wurde die Hütte auf einen großen Besen gepackt, auf dem die Namen großer Städte prangten, und die Hütte verstand, obwohl sie es nicht verstand.
Nie hatte sie eine so weise Frau mit einem so glänzenden Besen gesehen, der mit ihr in Wind und Zeiten stak, und die Hütte hatte wieder recht, obwohl sie unrecht hatte. Da ward die Hütte fröhlich, glaubte sich mit der Alten am Ziel, die Hoffnung ihrem Schicksal gleich, und sang:
Alles verschwindet, kommt nimmermehr wieder, nimmermehr wieder, nimmermehr wieder.
Da wurde sie aufgebaut in einer großen, schmutzigen Stadt mit gepflasterten Straßen und taubgoldenen Palästen, die dicht bei ihr höher als jeder Baum in den Himmel ragten. Ein Schild, auf dem Märchenhütte stand, wurde gar schnell an sie genagelt, dass die Hütte nicht wusste, wie ihr geschah.
Kein Vieh und Korn wurden in sie gestapelt, nur Zuschauer und Schauspieler und Requisiten und Helfer und Helfershelfer kamen und gingen in so großer Zahl, dass der Hütte bald schwindlig zumute ward.
Das war ein gar lustiges Glitzern mit Vergangenem in Mond und Sternen im Schnee, kein ruhiges Faulen und Stinken war das, ein wundervoll erschöpfendes Fauchen und Rauschen, Geklimper, Hetzen und Laufen war das.
Im Morgengrauen jedoch, wenn es kurz stille ward, klagte sie mit den Mäusen ihr immergleiches Lied:
Alles verschwindet, gleich kommt es wieder.
Eines Nachts aber meinte sie das feengleiche Mädchen mit Goldhaaren und Eisaugen und Glutlippen und der Jacke aus Wolle wie Schnee zu sehen, zersaust und dreckig wie die Alte sah das aus, das stieg ihr unters Dach und weinte bitter, und wie es so weinte, da sagte es zur Hütte, und lieb musst du sein und sie besonders gut beschützen und uns verbrennen und alles wird gut – sie wollen immer mehr, alles, das Nichts, flüsterte sie zuletzt so leise, dass es ja keiner hören könnte, und die Hütte verstand, obwohl sie es nicht verstand.
Da loderten haushohe Flammen aus den Fenstern, es knisterte, knarzte, sprühte und knarrte so furchterregend laut, dass einem das Blut in den Adern gefror. Als sie aber zu Staub und Asche verbrannten und mit Wind und Zeiten funkelnd und glitzernd in die Höhe prassten, jauchzten und tanzten sie und sangen:
Alles verschwindet, gleich kommt es wieder, nimmermehr wieder, nimmermehr wieder, nimmermehr wieder.
Parabeln
Die Toilettentür hat einen dieser schlüssellosen Drehriegel mit Wort- und Farbverschiebung. Naïn will warten, Lucard sagt grimassierend: »Ist kaputt, kannst rein.« Naïn lässt ihm den Vortritt, schließt die Tür hinter sich zu, drückt die Klinke noch mal, alles gut. Als er sich umdreht, streckt Lucard ihm in seiner Handfläche schon ein beeindruckendes Häufchen kristallines Irgendwas entgegen, MDMA, vermutet Naïn. Er leckt seinen kleinen Finger an, sie dippen mal drauflos und löschen zuletzt das Bittere mit dem Wodka. Lucard ist im Rausch, Naïn weiß noch nicht, ob Aphex-Twin- oder Ian-Curtis-mäßig. Er muss an Tetris denken, wenn er Lucard anschaut, als bestehe dessen Gesicht aus verschieb- und drehbaren
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