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Der Club der Gerechten

Der Club der Gerechten

Titel: Der Club der Gerechten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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direkt an. »Und der Tote im Leichenschauhaus? Das war nicht Jeff.«
    Die Worte trafen Mary wie ein Hieb in den Magen. Nicht Jeff? Was redete er da?
    Doch sie verstand natürlich –, der Schmerz über das, was sie beide getroffen hatte, war zu unerträglich für ihn. Aber es zu leugnen – zu tun, als sei nichts geschehen – würde die Qual nur verlängern und schlimmer machen, wenn er die Tatsache schließlich doch akzeptieren musste. Mary nahm die Hand ihres Mannes. »Keith, du warst da – du hast ihn gesehen. Es wird dir nicht helfen, wenn du versuchst so zu tun, als ob ...«
    Heftig entzog Keith ihr die Hand. »So tun?«, unterbrach er sie. »Was meinst du mit ›so tun‹? Ich sage dir, Mary – es war nicht Jeff, den wir dort gesehen haben.«
    Mary prallte zurück. »Um Himmels willen! Was redest du ... was sagst du da?«
    Keith wandte die Augen lange genug von der Straße ab, um ihr einen ärgerlichen Blick zuzuwerfen. »Ich sage dir, dass es nicht Jeff war. Als ich heute Morgen das Leichenschauhaus aufsuchte, zeigte man mir eine andere Leiche.«
    Mary wurde schwindlig. Eine andere Leiche? Wie meinte er das?
    »Das Tattoo«, sagte er rau. »Jeff hatte ein Tattoo, und dieser Tote hatte keins.«
    »Ich weiß, das Jeff ein Tattoo hatte«, antwortete Mary, bemüht zu ergründen, was er meinte. »Aber es war nicht mehr da. Es war ...« Sie zögerte, als sie das Bild von Jeffs verbranntem und entstelltem Körper wieder vor sich sah. »Die Haut ist verbrannt, Keith«, gelang es ihr schließlich hervorzustoßen. »Das heißt nicht, dass es nicht da war.«
    »Aber heute Morgen war diese Stelle nicht verbrannt«, antwortete Keith. Seine Hände umklammerten das Steuer fester, und ohne es zu merken, trat er das Gaspedal weiter durch. »Als ich heute Morgen vor dem Leichnam stand, war dieser Teil nicht verbrannt.« Seine Stimme hob sich. »Und da war kein Tattoo zu sehen, Mary! Ich sage dir ...«
    »Pass auf!«, schrie Mary, als der Truck auf den Wagen vor ihnen aufzufahren drohte. »Du musst dich beruhigen! Willst du uns auch umbringen?«
    Keith drosselte die Geschwindigkeit und nahm dann Marys Hand. Diesmal jedoch war sie es, die sie ihm entzog und bis zur Tür zurückwich, um so weit wie möglich von ihm entfernt zu sein. »Er ist tot, Keith«, sagte sie, und ihre Stimme zitterte. »Jeff ist tot, und du musst dich damit abfinden.«
    »Ich muss mich mit nichts anderem abfinden als mit der Wahrheit. Und ich sag dir, das war nicht Jeff, den sie uns dort gezeigt haben.«
    Mary lag eine zornige Antwort auf der Zunge, doch sie biss sich auf die Lippen – biss ganz fest zu, bis ihr Zorn abgeklungen war. Als sie wieder sprach, blickte sie starr geradeaus. »Bring mich nach Hause. Bring mich ganz einfach nach Hause. Ich weiß nicht, was du denkst, und ich will es nicht wissen.«
    »Ich denke ...«, begann Keith, aber Mary fiel ihm ins Wort.
    »Unser Sohn ist heute Morgen gestorben«, erklärte sie. »Ich muss mich daran gewöhnen. Ich muss die Bürde hinnehmen, die mir auferlegt wurde. Ich weiß nicht, wie ich es schaffen kann, aber fertigbringen muss ich es. Und das kann ich nicht, wenn du versuchst, so zu tun, als sei es nicht geschehen. Also fahr mich einfach nur nach Hause, Keith. Fahr mich nach Hause, und sprich nicht mehr mit mir.«
    Wieder schwiegen sie, und diesmal versuchten weder Mary noch Keith, das Schweigen zu brechen.

10. Kapitel
    Bis heute war es Jeff nicht klar gewesen, dass er sich vor dem Dunkel fürchtete. Aber bis zu diesem Tag hatte er echte Dunkelheit auch noch nie erlebt, die Art von Dunkelheit, bei der man sich fragt, ob man je wieder etwas sehen wird, die einen umhüllt wie ein Leichentuch und einen sowohl erstickt als auch blind macht. Er hatte keine Ahnung, wo er war – keine Ahnung, wie lange er schon hier war. Er wusste nur, dass die einzige schwache Birne, die von der Decke hing, für ihn einen Hoffnungsschimmer bedeutete und ihn davor bewahrte, den Verstand zu verlieren.
    Er hatte einen Fehler gemacht, das begriff er jetzt. Als der Mann, dem er die Treppe hinunter in die Bowery U-Bahnstation gefolgt war, vom Bahnsteig sprang und in das schattenhafte Dunkel des Tunnels eingetaucht war, hätte er bleiben sollen, wo er war – hätte auf die Polizei warten sollen, die dicht hinter ihm auftauchte. Aber er hatte nicht überlegt – hatte keine Zeit gehabt zu überlegen. Und war seinen Instinkten gefolgt.
    Und die Instinkte, die aus dem primitivsten Teil seines Gehirns aufstiegen, waren die eines

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