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Der Club der Gerechten

Der Club der Gerechten

Titel: Der Club der Gerechten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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das geringste Anzeichen eines Unfalls, außer den mit Brettern vernagelten Fenstern der Restaurant-Ausstattungs-Firma, in die der Kleinbus hineingerast war, nachdem der Wagen ihn gestreift hatte.
    Keine Anzeichen dafür, dass hier Menschen vor etwas mehr als vierundzwanzig Stunden gestorben waren.
    An diesem Morgen, an dem absurderweise die Sonne auf die Stelle schien, wo der schwarze Transporter verbrannt war, schien es fast unmöglich, dass es geschehen sein konnte. Keith stand einen Moment an der Südwest-Ecke und versuchte sich die Szene vom vergangenen Morgen vorzustellen. Der Kleinbus war von Westen gekommen und auf die Brücke zu gefahren. Und der Wagen, der mit ihm zusammengeprallt war, musste auf der Bowery sehr schnell in nördlicher Richtung gefahren sein. Keith hatte eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wie schwer ein Ford-Kleinbus war, konnte aber nur vermuten, welcher Gewalt es bedurfte, die Tür eines gepanzerten Wagens einzudrücken und ihn so zu treffen, dass er quer über die Straße schleuderte und in die Fenster des Gebäudes knallte. Nachdem er den Kleinbus getroffen hatte, musste sein eigener Schwung den Laster gewissermaßen weiter nach Norden katapultiert haben, denn eigentlich hätte er nach dem Zusammenprall in östlicher Richtung wegschlittern müssen.
    Keith überquerte die Straße und entdeckte ungefähr zwanzig Meter weiter eine Mauer, die aussah, als sei an ihr ein Wagen entlang geschrammt und habe tiefe Wunden in ihre Oberfläche gerissen. Unbewusst strich er mit den Fingern über die Spuren, die der schleudernde Wagen zurückgelassen hatte, und blickte zu der Stelle zurück, wo der Kleinbus verbrannt war.
    »Mann, das war v'lleicht was, Mann«, nuschelte jemand.
    Erschrocken schaute Keith hinunter und sah, zusammengekauert im Eingang eines leeren Ladens, eine Gestalt, in so viele zerrissene und dreckige Lumpen gehüllt, dass sie fast unsichtbar war. Ein Mann. Aus trüben Augen, die so stark blutunterlaufen waren, dass man ihre Farbe nicht mehr erkennen konnte, starrte er Keith an. Unter den Dreckschichten, die seine Haut bedeckten, breitete sich ein ganzes Netzwerk geplatzter Adern und krätzigen Schorfs aus.
    »Hättste sehn soll'n, Mann – 's reinste Höllenfeuer war das, Mann.«
    Keiths Pulsschlag beschleunigte sich, und er hockte sich nieder. »Du warst gestern Morgen hier?«, fragte er. »Als der Kleinbus brannte?«
    Der Mann verzog die Lippen zu einer schiefen Grimasse, und ein halbes Dutzend abgebrochener Zahnstummel wurde sichtbar. »Wo hätt ich'n sonst sein soll'n?« Seine Triefaugen fixierten Keith. »Haste 'n paar Bucks übrig für mich? Hab schon 'ne ganze Weile nix mehr gegessen.«
    An jedem anderen Tag wäre Keith einfach weitergegangen, hätte den Mann wahrscheinlich nicht einmal angesehen. In Bridgehampton hätte dieser Mensch sich höchstens ein paar Minuten auf der Straße aufhalten können, dann wäre schon die lokale Polizeimacht erschienen – falls man Bill Chapin und seine drei Deputies eine Macht nennen konnte – und hätte ihn mit einer einfachen Fahrkarte in einen Bus nach Manhattan verfrachtet. Auf keinen Fall wäre ihm erlaubt worden, lange genug in den Straßen der Stadt herumzulungern, um einigen der wohlhabenderen Bürger vor die Füße zu laufen und ihnen das Wochenende zu vermiesen.
    Aber das war kein gewöhnlicher Tag, und Keith hielt sich nicht in den vertrauten Grenzen von Bridgehampton auf, so dass er, anstatt aufzustehen und weiterzugehen, seine Brieftasche herauszog.
    Sie klappte wie immer automatisch bei Jeffs Graduierungs-Foto auf, das vor fast einem Jahr aufgenommen worden war.
    Keiths Magen verkrampfte sich beim Anblick des Fotos. Er nahm einen FünfDollarschein aus der Brieftasche und drehte sich dann zu dem Mann herum. »Hast du diese Person gesehen?«, fragte er. »Gestern Morgen?«
    Der Betrunkene musterte das Foto. »Ne«, murmelte er. »Soll'n das sein?«
    »Mein Sohn«, sagte Keith. »Er war ...« Er verstummte abrupt und klappte die Brieftasche wieder zu. Ihm kam zum Bewusstsein, wie absurd diese Szene war. Wie konnte er dem Mann erklären – einem Mann, so tief gesunken, dass er um zehn Uhr morgens betrunken in einem Hauseingang lag –, was er hier tat? Warum sollte dieser Mensch ihm zuhören oder sich sogar interessieren für das, was er sagte?
    Was tat er selbst überhaupt hier?
    Er haschte nach einem Strohhalm, genau wie Mary gesagt hatte.
    Der Betrunkene, dessen Augen an dem FünfDollarschein klebten, nuschelte: »Der

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