Der Club der Gerechten
schneller bewegte als er und Jagger.
»Der Scheißkerl versucht uns abzuhängen«, knurrte Jagger, als das Licht das nächste Mal aufblitzte und sie feststellten, dass sie beinahe fünfzig Meter zurück waren.
»Er kann uns nicht abhängen, wenn wir's nicht zulassen«, sagte Jeff. Die Hand ausstreckend, fühlte er den rauen Beton der Wand. Durch den Kontakt ließ das Schwindelgefühl nach, das die Dunkelheit bei ihm auslöste, und er ging schneller, ignorierte das Brennen in seinem verletzten Knöchel.
Als das Licht erneut aufblitzte, war Creeper wieder nur noch wenige Meter vor ihnen.
Gleich darauf blieb er stehen und wartete auf sie.
»Wie weit müssen wir noch?«, fragte Jeff.
»Weiter nicht mehr«, sagte Creeper. »Jetz' gehn wir rauf.« Er ließ das Licht über die Tunnelwand gleiten. Hier gab es eine weitere Nische – viel kleiner als die, in der sie gegessen und sich ausgeruht hatten –, aber in dieser Nische waren Eisensprossen in den Beton eingelassen; sie bildeten eine Leiter, die senkrecht nach oben führte. »Über uns ist ein nächster Tunnel. Hauptwasserleitungen.« Ohne ein weiteres Wort begann er die Leiter hinaufzusteigen.
Um nicht in der Dunkelheit zurückzubleiben, hatten Jeff und Jagger keine andere Wahl, als ihm zu folgen.
Nach zehn Minuten – oder vielleicht einer halben Stunde oder einer ganzen – stiegen sie noch zwei Leitern hinauf und gelangten in einen dritten Tunnel.
Weit vorn entdeckte Jeff ein Licht.
Nicht das flackernde, hüpfende Licht von Taschenlampen, sondern den stetigen Schein von Beleuchtungskörpern, die an den Tunnelwänden befestigt waren.
Creeper knipste die Halogenlampe zum letzten Mal aus und ging schneller. Das Klopfen in Jeffs Knöchel schien nachzulassen, als endlich ein Ziel in Sicht kam. Sie waren in einem Gerätetunnel – Kabel, Rohre und Isolierleitungen an beiden Wänden und an der Decke. Wieder sah Jeff, an der Decke montiert, die erste Reihe schwacher Glühbirnen, jede unter Glas und durch einen Metallkäfig geschützt.
Als sie zur ersten Lampe kamen, blieb Creeper stehen und drehte sich zu ihnen um. »Willkommen in den condos «, sagte er mit dem gleichen Grinsen, mit dem er ihnen vor Stunden ihr Essen gezeigt hatte. »Manhattans billigste Wohnungen mit allem Komfort.« Er öffnete eine Tür in der Wand.
Jeff und Jagger zögerten. Jagger musterte die Tür, dann schweiften seine Augen zu dem schwach erleuchteten Tunnel, der sich vor ihnen erstreckte. »Ich denk, v’lleicht soll'n wir lieber weitergehn.«
Auch Jeff betrachtete die wie in einer Passage aufgereihten Lampen. Hinter der Tür sagte Creeper: »Wir haben Besuch.«
»Jemand, den wir kennen?« Es war die Stimme einer Frau, und Jeff glaubte, eine Spur von Humor herauszuhören.
»Ich nich. Hab sie zwei Stockwerke tiefer getroffen.«
»Dann bring sie rein – hatten Glück, dass sie nicht gestorben sind da unten. Und wir haben viel zu essen. Richtiges Essen, nicht die Gleiskaninchen, die manche Leute mögen.«
Creeper tauchte wieder in der Tür auf, und mit ihm kam ein Duft, der Jeff in die Nase stieg und ihm den Mund wässrig machte; wie ein Messer bohrte sich ihm der Hunger in den Leib.
Eintopf.
Nicht der dünne, geschmacklose Eintopf, mit dem man sie während ihrer Gefangenschaft in dem Raum irgendwo in der absoluten Finsternis tief unten ernährt hatte. Es roch wie der Eintopf seiner Mutter, köstlich und würzig.
»Kommt ihr oder nicht?«, fragte Creeper.
Es war der Duft des Eintopfs, der alle Zweifel zerstreute, die Jeff gehabt haben mochte. Als er durch die Tür trat, sah er das Allerletzte, das hier zu finden er erwartet hätte.
20. Kapitel
Was Jeff auch erwartet haben mochte, als er durch die Tür trat, es entsprach nicht seinen Vorstellungen. Nicht, dass er etwas Außergewöhnliches sah – tatsächlich waren die Gegenstände im Raum absolut alltäglich.
Ein Herd, auf dessen hinterer Kochplatte der Topf mit dem köstlich duftenden Rindfleischeintopf stand.
Ein Kühlschrank, nicht neu – der avocadogrüne Lack abgeblättert, und Teile der ausgeleierten Türdichtung fehlten. Wie um zu beweisen, dass er keine Fata Morgana war, fing er in diesem Moment an zu rattern, und der Motor hustete ein paar Mal heiser, bevor er ruhig zu brummen begann.
Ein Tisch – ein richtiger Tisch mit einer Kunststoffplatte und rohrförmigen Beinen, fast identisch mit dem, der in Jeffs Apartment stand. Und um den Tisch herum ein halbes Dutzend nicht zusammenpassender Stühle. Einige waren aus
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