Der Club der Serienkiller
kommt, mit seiner Pistole herumfuchtelt und brüllt: »Komm zurück, du kleiner Freak... Komm sofort zurück.«
Ich schmiege mich in den Kunstledersitz, biege die erste Straße nach links auf den Highway und drücke das Gaspedal bis zum Anschlag durch. Jetzt kann mich nichts mehr aufhalten. Nicht mal die Tatsache, dass ich nicht die geringste Ahnung habe, wie man ein Boot steuert. Allerdings hoffe ich, dass ich es kann, wenn ich mit Betty erst mal den Golf von Mexiko erreiche. Ich habe vor, das Boot bei unserer Ankunft zu verkaufen und mit dem Geld eine Raststätte für Wohnwagenfahrer zu eröffnen. Sobald der Laden läuft, können wir daran denken zu expandieren. In zwei oder drei Jahren machen wir damit vielleicht sogar Kentucky Fried Chicken Konkurrenz.
Es sind nur noch eineinhalb Kilometer bis zum Hafen, als mein Magen nach Frühstück ruft; in einem Drive-In hole ich mir was zu essen und mache mich hinter dem Steuer von Agent Wades Wagen gierig darüber her. Meine Essensreste verteile ich über die Sitze, öffne dann noch eine Tüte mit Salz und schütte es in sein Autoradio. Er soll wissen, wie es ist, wenn Dinge, die einem etwas bedeuten, beschmutzt werden. Eine mehr als angemessene kleine Wiedergutmachung für das Chaos, das Agent Wade in meinem Haus angerichtet hat. Und in meinen Leben.
Etwa einen Dreiviertelkilometer vom Hafen entfernt lasse ich den Wagen stehen und gehe den Rest der Strecke zu Fuß. Es tut unglaublich gut, ohne Regenmantel unterwegs zu sein, und ich nicke
ein paar Passanten zu, die offensichtlich genauso glücklich wie ich darüber sind, dass endlich wieder die Sonne scheint.
Der Hafen wimmelt von gut gelaunten Seglern, die fröhlich pfeifend ihre Boote putzen, ihre Abspannleinen abrollen, ihre Motoren ankurbeln, die gesplitterten Scheiben ihrer Nebelscheinwerfer ersetzen und ausgeblichene Holzteile streichen. Der Sicherheitsmann surrt mit einem elektrischen Rollstuhl den Holzsteg entlang, die Füße immer noch dick bandagiert, und selbst er hat Zeit, neben mir zu bremsen und ein Schwätzchen zu halten.
»Was für ein Tag.«
»Was für ein Tag.«
»Perfektes Segelwetter.«
»Absolut perfekt.«
»Ruhig wie ein Tümpel.«
»Sie sagen es. Ruhig wie ein Tümpel.«
Ich kann es kaum abwarten, mich in einen Seemann zu verwandeln. Außerdem nehme ich mir vor, mir möglichst bald eine Kapitänsmütze zu kaufen - vielleicht sogar eine Pfeife.
Ich marschiere denselben Steg entlang, den ich vor einigen Nächten runtergebrettert bin, als ich um mein Leben rannte. Ich schätze, in gewisser Weise renne ich immer noch - doch heute bin ich mir sicher, dass ich entkommen werde.
Majestätisch treibt die Lehrer kurz vorm Ende des Stegs auf dem Wasser. Die Autoreifen, die an den Seiten befestigt sind, scheuern gegen den Pier, werden eingedrückt und beulen sich wieder aus, als würde das Boot selbst ein- und ausatmen.
Wie ein Admiral gehe ich an Bord und marschiere übers Deck, als wäre dies mein zweites Zuhause. Ich fühle mich, als wäre ich dafür geboren, über die sieben Weltmeere zu segeln.
Es dauert ganze fünf Sekunden, bis ich Chuck Norris im Kapitänssessel entdecke, und als ich herumfahre und davonlaufen will, stürze ich durch eine Luke in den Wohnbereich darunter. Unsanft lande ich auf dem Boden, Aug in Aug mit Myrna, die ausgestreckt in der Koje liegt, in der ich geschlafen habe. Wobei »Aug in Aug« nicht wörtlich zu verstehen ist, denn ihr Kopf steckt in einer »Kentucky Fried Chicken«-Packung - genau wie der von Chuck.
Wie eine Ratte krabble ich auf allen vieren davon, möglichst weit weg von Myrna. Dann setze ich mich auf, den Körper gegen die Holzwand des Wohnbereichs gepresst und überzeugt, dass ich noch gar nicht aufgewacht bin, sondern immer noch in meinem Bett liege und mich, gequält von schrecklichen Albträumen, hin und her werfe. Das Boot stößt sanft gegen den Steg, und inzwischen steht die Sonne so hoch am Himmel, dass sie ins Innere scheint. Chuck und Myrna sind so tot wie die Dodos, über die Chuck diesen echt krassen Witz gemacht hat.
Sicher, das hier ist ein Albtraum, aber ich träume nicht.
Ich muss ein Telefon finden, muss Betty anrufen, ihr sagen, dass sich der Plan geändert hat.
Oh mein Gott...
Was, wenn Agent Wade Betty ebenfalls hat?
Mayday, Mayday, Mayday.
Ein anderes Boot fährt vorbei und lässt eine große Welle seitlich gegen die Lehrer klatschen. Und Myrna aus der Koje auf den Holzboden rutschen. Die Familienpackung gleitet von ihrem
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