Der Club der Teufelinnen
John the Divine, aber ein schmutziger Stadtstreicher und eine weitere Gestalt, die in einem Eingang kauerten, waren ein mehr irdischer Anblick. Sie ging mit ihrem üblichen entschlossenen Gang an ihnen vorbei. Zehntausend in bar waren eine Menge Geld für ein Crack-Wrack oder einen Tippelbruder, falls er aggressiv werden sollte. Nach wenigen Schritten war sie an der Tür von V&T angelangt. Für einen Moment hielt sie inne, die Hand auf der Klinke. Hoffentlich waren zehntausend auch genug. Sie würde ihm auch zehnmal soviel geben, wenn es sein mußte, aber das brauchte er ja nicht zu wissen.
Mary zog die Glastür auf und ging hinein. Hier hatte sich nicht viel geändert: das alte abgetretene Linoleum, die Plastikdecken auf den Tischen, die düstere, billige Holzverkleidung an der Wand. Der Vorderraum für die Raucher war von dem dahinter liegenden durch einen hüfthohen Raumteiler mit Blumentöpfen getrennt, in denen gelbe und orangefarbene Plastikblumen steckten. Sie waren noch genauso höflich wie damals, als sie an der Columbia-Universität studiert und ihr Diplom in Betriebswirtschaft gemacht hatte. Auch sonst hatte sich hier nichts geändert. Derselbe Vesuv als Wandbild, dieselben Kapitänsstühle aus Holzimitat. Derselbe Bobby.
Sie betrat den Raum, und ihr Exmann begrüßte sie mit einem Lächeln. Noch immer stachen seine blendendweißen Zähne von seinem dunklen Gesicht ab. Sein Haar war anders. Anstelle des Afros trug er jetzt so etwas wie einen Knoten.
»Hallo«, kam es kühl von Mary.
»Na, Baby. Gut, dich wieder mal zu sehen.« Er sah von unten zu ihr hinauf und drehte seinen Charme auf. Eine Stimme wie warmer Sirup. Die Augen ganz Hundewelpenflehen. Ganz der gute alte Bobby. Er streckte seine Hand aus und ergriff die ihre; deren Weiße stach kraß von seiner Ebenholzschwärze ab. Seine Hand fühlte sich einfach gut an. Nun ja. Sex war auch nie das Problem zwischen ihnen gewesen, bloß alles andere.
»Was willst du?«
»Hey, nix, Baby. Bloß dich mal wiedersehen, mit dir reden. Man gönnt sich ja sonst nix.«
»Laß das. Komm zur Sache, Mann.«
Er lächelte. »Ganz die gute alte Mary. Wülste dich nich wenigstens setzen? Ne Kleinigkeit einwerfen?«
Mary setzte sich. Sie hatte diesen Ort gewählt, weil sie hier wohl noch am wenigsten auf jemanden aus ihrem neuen Bekanntenkreis stoßen würde. Das letzte, was sie gebrauchen konnte, war, daß irgendwer etwas von ihrer ersten Ehe erfuhr. Sie war kurz gewesen, reine Gefühlssache, mit einem Schwarzen. Du meine Güte, Gil hätte sie sich als Jungfrau gewünscht, und die Frauen aus seinen Kreisen taten so, als ob sie welche wären. Sie würden niemals verstehen, was Bobby ihr bedeutet hatte.
Bobby reichte ihr die Speisekarte. Sie war klebrig. In ihrer Bobby-Zeit war V&T etwas Besonderes für sie gewesen, etwas, was sie sich nur hin und wieder erlauben konnten. Sie warf immerhin einen Blick auf die Auswahl an neapolitanischen Speisen und unterdrückte ein Schaudern. Heutzutage aß sie nur noch norditalienische Küche.
»Ich mag nichts«, sagte sie. »Was möchtest du?«
Schließlich verschwand das Lächeln aus seinem hübschen Gesicht. Mary beobachtete, wie er sich vom fröhlichen Bobby zum ernsten Bobby wandelte.
»Ich hab' nachgedacht, Baby. Ich muß noch mal ganz von vorn anfangen.« Wieder lächelte Bobby. »Verstehste? Ganz so wie du. Raus hier und nach oben.«
»Ja?« Bloß nicht zu viel Interesse heucheln. Sie wußte, daß Bobby gern an seine eigenen Spinnereien glaubte und den ganzen Tag darüber schwadronieren konnte. Heute jedoch schien er recht zielstrebig. Zu zielstrebig, wie sie mit aufkeimender Beunruhigung feststellte, die sie zu verbergen versuchte.
»Ich meine, ich sollte es mal in Las Vegas versuchen. Ich hab' da 'nen Freund, der sagt, 's war was für 'n Typen wie mich … 'nen Typen mit ein bißchen Ehrgeiz und etwas Startkapital.«
»Wie heißt sie?«
Wieder dieses träge Lächeln. »Hab' dir nie lange was vormachen können, Mary. Sie heißt Tamayra. Sie arbeitet bei Sands.«
»Das ist ja ganz schön, aber was hat das mit mir zu tun, Bobby? Unsere Ehe ist annulliert. Das bedeutet so viel, wie nie verheiratet gewesen zu sein. Daran möchte ich dich erinnern. Also warum dieser Anruf?« Sie fragte, obwohl sie die Antwort kannte. Es war wie das Eintreffen von etwas lang Erwartetem. Die ganze Zeit hatte sie damit gerechnet.
»Hab' dein Bild in der Zeitung gesehen. Da stand, wo du arbeitest. Mußte an alte Zeiten denken. Hab'
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