Der Club der Teufelinnen
ihm nie wieder abhängig sein zu wollen. Sie würde allein dafür sorgen, daß Sylvie bekam, was sie brauchte.
Sie stand auf und ging durch die Räume. Trotz des freundlichen Tages vermochte nichts sie aufzuheitern. Der Gedanke an ein düsteres Zimmer, ohne dieses Licht, diese Aussicht, diesen Komfort war einfach schrecklich. Das war der Grund gewesen, warum sie es so lange aufgeschoben hatte, sich mit ihren Finanzen zu befassen. Aber es war klar, daß etwas geschehen mußte.
Von Elise würde sie kein Geld annehmen, ebensowenig von Mr. Tanaki, obwohl es sie freute, daß er beabsichtigte, Sylvan Glades finanziell zu unterstützen. Aus diesem Grund hatte er auch einen Besuch Dr. Ganchers in Japan unterstützt, um dort möglicherweise eine vergleichbare Institution einzurichten. Und sie hatte es aufgegeben, von Aaron zu erwarten, daß er sein Versprechen, die Treuhandgelder zurückzuerstatten, wahr machen würde. Nein, sie selbst mußte etwas unternehmen.
Der Seidenteppich streichelte ihre nackten Sohlen, der Mahagoni-Eßtisch schimmerte. In einer anderen Wohnung würde für ihn kein Platz sein. Sie ging weiter in den Wintergarten. Ihr Lieblingsbonsai schien ihr zuzunicken. Dies waren ihre Gefährten gewesen, Zeugen ihres Erwachsenwerdens. Zart streichelte sie ein Blatt. Ohne Wintergarten konnten sie nicht überleben. Keine Bonsais mehr.
Sie trat hinaus auf die Terrasse. Eine leichte Brise wühlte in ihrem Haar. Tränen traten ihr in die Augen. Ich sollte dankbar sein, daß ich das alles habe, um es verkaufen zu können. So wenige Menschen können das. Ich werde meine drei Kinder glücklich, gesund und gut versorgt sehen. Ich werde keine Not leiden. Und ich habe gute Freunde und vielleicht sogar ein wenig Talent. Ich kann mein eigenes Leben führen. Ein netter Mann scheint mich gern zu haben, und ich mag ihn. Das ist mehr, als die meisten Menschen haben, und ich sollte dankbar sein.
Aber sie war es nicht. In diesem Augenblick war sie selbstsüchtig und fühlte sich elend. Und sie setzte sich auf ihre Terrassenbank und weinte.
An diesem Abend gingen Annie und Miguel zum Abendessen in ein kubanisch-chinesisches Restaurant. Es lag weiter nördlich, wo die schicken Yuppies von der Westseite üblicherweise nicht hinkamen. Annies niedergedrückte Stimmung besserte sich zusehends, während sie ein paar Gläser des preiswerten Weins tranken und Miguel sie zum Lachen brachte. Er erzählte ihr von seinen Fortschritten mit Morty Cushman. Es gab gute Chancen, daß dieser vor Gericht aussagen würde. Und eine hieb- und stichfeste Anklage gegen Gil Griffin würde auch dabei herauskommen. Das half ihr zwar nicht bei ihren eigenen Problemen, aber es munterte sie auf.
Ihr Vater hatte immer gesagt, daß man um Gerechtigkeit kämpfen muß; sie fiel einem nicht einfach in den Schoß. Sie würde weiterkämpfen.
Nach dem Essen schlenderten sie noch auf einen letzten Drink zum Museumscafé. Annie kam selten bis zur West Side. Hier schien alles jünger, hektischer, ethnisch gemischter als in ihrer ruhigen Umgebung. Vielleicht konnte sie hier eine Wohnung finden. Obwohl sie zugeben mußte, daß sie sich ein wenig fürchtete. Aber jetzt war sie nicht allein, sondern zusammen mit einem charmanten Begleiter.
Als Miguel sie über das Kopfsteinpflaster am Planetarium führte, wußte sie, was kommen würde. Und sie war froh darüber.
»Frierst du?« Er spürte, wie sie zitterte. »Soll ich dich nach Hause bringen?«
»Ich möchte nicht nach Hause. Es macht mich derzeit so traurig.«
»Ich verstehe.« Er schaute sie mitfühlend an. »Auch mich macht meine Wohnung traurig.« Und nach kurzem Zögern: »Ich würde gerne mit dir schlafen.«
»Und ich mit dir.«
»Aber zu mir können wir nicht. Das ist nicht mein Zuhause. Dort schlafe ich nur. Es wäre nichts Rechtes.«
Sie lächelte ihn an. Sie mußte daran denken, wie verkrampft Sex mit Aaron für sie gewesen war. Trotz ihrer Nervosität war sie sich doch sicher, daß es mit Miguel keinerlei Probleme geben würde. Ich hege ihm gegenüber keinen Zorn. Daran liegt es, dachte sie. So einfach war das.
Sie war seit so langer Zeit zornig auf Aaron gewesen, daß sie sich ihm keinen Augenblick lang mehr hinzugeben vermocht hatte. Wäre diese Barriere weggefallen, hätte sie ihn umgebracht. Sie empfand ihm gegenüber nur Abscheu. Darüber war sie sich jetzt im klaren, nachdem sie sich so lange dieser Erkenntnis verschlossen hatte.
Sie überlegte einen Augenblick, dann lächelte sie, blickte
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