Der Club der Teufelinnen
Hure.
Ganz gegen ihren Willen mußte sie wieder an die weiche Wange des jungen Mannes an der ihren denken. Tränen anderer Art waren es, die ihr jetzt in die Augen traten. Es hatte so unglaublich wohl getan, und jetzt fühlte sie sich so hundeelend. Lieber Himmel, hatte er nicht auch noch eine Kamera dabeigehabt? Sie konnte sich nicht im geringsten daran erinnern, was danach gewesen war, nachdem sie miteinander geschlafen hatten, wie sie sich getrennt hatten und wie sie nach Hause gekommen war. Ein eisiges Gefühl ergriff ihren Magen: Sie wußte nicht einmal seinen Namen.
Ihre Mutter hatte ihr einst geraten, sich einen Mann zu suchen, der nicht den Ehrgeiz hatte, mit ihr zu konkurrieren, sondern der zufrieden war, in ihrem Ruhm zu baden. Und Bill schien der rechte zu sein. Sie erinnerte sich an den Moment, als sie ihm damals auf der Cocktailparty begegnet war. Sie hatte seinen Namen nennen hören und sich bereits gedacht, daß er einer von jenen Atchisons war, die ihren Stammbaum so weit zurückverfolgen konnten, daß sich auch ein paar Indianer unter seinen Vorfahren befinden mußten. Eine alte Familie, alter Reichtum, auch wenn davon nicht mehr viel übrig war. Er hatte bemerkt, daß sie ihn quer durch den Raum beobachtete. Als er sich auf sie zu bewegte, hatte sie die Augen gesenkt, so als ob sie sich ganz auf ihren Gesprächspartner konzentrierte. Bill hatte gewartet, bis sie einen Augenblick allein war, um dann mit jungenhaft verschmitztem Grinsen seinen Vorstoß zu machen. »Sie könnten mir einen riesigen Gefallen tun und mich von alldem entführen.«
»Könnte ich das?« hatte sie erwidert. »Und wohin würde ich Sie wohl entführen?«
Seine Antwort hatte dann alles entschieden. »Zum See für die Modell-Segelboote im Central Park. Schon als kleiner Junge hatte ich dort ein Boot. Ich würde sehr viel lieber mit Ihnen im Mondlicht meinem Segelboot zuschauen, als mich hier endlos mit überkandidelten Leuten abgeben zu müssen.«
Ihre Antwort war lediglich ein freies, von Herzen kommendes Lachen gewesen, doch es hatte ihm genügt, um sie bei der Hand zu nehmen und durch die Menge hindurch von der Party wegzuführen. Erst im Lift hatten sie wieder geredet und zwar beide gleichzeitig. »Ich heiße …« – um abermals über dieses Timing in Lachen auszubrechen. »Bill Atchison«, waren seine Worte gewesen. »Und ich weiß, wer Sie sind.«
Es hatte noch oft solche Erlebnisse gegeben. Spontan, witzig und unbeschwert. Er war so natürlich, so normal. Das war eine neue, freudvolle Erfahrung für sie gewesen. Zum ersten Mal meinte sie, richtig zu leben. Ganz normale Dinge hatten sie in Entzücken versetzt: Tennis mit Freunden, Essen in reizenden kleinen Restaurants, Spaziergänge im Village, im Central Park, durch China Town.
Er half ihr, so zu sein wie ganz normale Leute – keine Erbin, kein Filmstar. Nur eine Frau, seine Frau. Und sehr lange schien alles ganz wunderbar zu laufen. Sie hatten sich in einer glücklichen Routine eingerichtet, das erste normale Leben, das sie kennenlernte. Sie hatten sich über so grundsätzliche Dinge wie Geld geeinigt, und von Anfang an schien es da keinerlei Probleme gegeben zu haben. Er war damit einverstanden gewesen, daß sie in Elises Wohnungen und Häusern leben würden und daß seine Frau ihre Rechnungen selbst beglich. Als zukünftiger Partner der Anwaltskanzlei Cromwell Reed war er in der Lage, seine eigenen Ausgaben zu bestreiten und Elise einfallsreiche Geschenke zu machen, mit denen er sie immer wieder entzückte. Er wurde nicht müde, sie zu ihrem Aussehen, ihren Kleidern und ihrem Geschmack mit Komplimenten zu überschütten. Sie war etwas Besonderes, und sie freute sich an dem Stolz, mit dem er sie herumzeigte. Er schien die perfekte Ergänzung für sie zu sein.
Sie war ihm eine enorme Hilfe bei seiner Karriere gewesen. Er hatte sich um alle ihre geschäftlichen Transaktionen gekümmert, und sie hatte ihm auch die Geschäfte der van Gelders vermittelt. Daß er drei Wohnungen zur Verfügung hatte, um seine Geschäftspartner angemessen zu bewirten, war seiner Karriere durchaus förderlich. Elise hatte sich mit seinen nächtlichen Arbeitsstunden abgefunden, froh, einen Mann zu haben, der sich bei allem gesunden Ehrgeiz von der Arbeit doch nicht ganz auffressen ließ. Er hatte immer noch reichlich Zeit für sie, und deshalb war sein langes Ausbleiben am Abend kein Problem, und sie glaubte ihm auch, wenn er über große Arbeitsbelastung klagte.
Zum ersten Mal kam
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