Der Club der Teufelinnen
erzählen, wie es Morty möglich gewesen war, so billige Preise zu machen und dieses gewaltige Geschäftsvolumen aufzubauen.
Jahrelang hatte er die heiße Ware – Fernseher, Stereogeräte, Videorecorder – von ihrem Vater übernommen und an den Mann gebracht. Sie hatte die Buchhaltung geführt, also mußte sie es wissen. Ausgesprochen kundenfreundliche Bedingungen, ach du liebe Güte. Der Geldwäscher war er gewesen für den Clan. Wenn die wüßten, diese Schwachköpfe.
Sie las ein paar Zeilen noch einmal. Die Ausweitung des Geschäfts war verbunden mit einer unerreichten Inventurübersicht, mit hochentwickelter Marktbeobachtung auf EDV-Basis, wie sie hier gerade erst beginnt, Anwendung zu finden. Bezog sich das etwa auf das Debakel mit den computerisierten Registrierkassen? Was wußten die schon. Sie zuckte die Achseln.
Wozu sich wundern? Irgendwie hatte sie schon immer geahnt, daß dieses ganze Big-Business-Brimborium nicht weiter war als ausgemachter Krampf.
Aber jetzt war sie die Angeschmierte. Letzten Endes war Morty nur ein Windei, aber immerhin war es ihm irgendwie gelungen, das Wall Street Journal und Federated Funds Douglas Witter hinters Licht zu führen. Und sie übers Ohr zu hauen. Morty mußte das alles für den Zeitpunkt geplant haben, an dem ihre Scheidung durchgezogen war. Kein Wunder, daß es ihm so eilig gewesen war. Und sie hatte geglaubt, er wollte ihr damit nur entgegenkommen. Von wegen.
Gut machst du dich, dachte sie und schaute an sich herab, auf ihren dicken Bauch und ihre mit Druckerschwärze verschmierten Finger. Tränen traten ihr in die Augen. Widerlich – Anfang Vierzig, fett und doof. Brenda sprang auf, als ihr die Tränen über die Wangen zu laufen begannen.
Er hat mich zum Narren gehalten. Du lieber Gott, was bin ich bloß für ein Idiot. Sie konnte sich gar nicht erinnern, wann sie zum letzten Mal geweint hatte.
Nach einer Weile beruhigte sie sich, rieb sich die Augen, wobei ihr Gesicht einiges von der Druckerschwärze abbekam. So weit, so gut, doch was nun? Für einen kurzen Augenblick erwog sie einen Anruf bei der New York Times oder diesem Dämlack Asa Ewell vom Journal, überlegte es sich dann aber anders. Ihr war ganz danach, einen von den alten Freunden ihres Vaters anzurufen und Morty die Knöchel brechen zu lassen. Für einen Moment fand sie die Vorstellung von Morty im Streckverband sehr erhebend. Aber das wäre einer Fortsetzung ihrer Unterhaltszahlungen nicht gerade förderlich. Da konnte sie sich gleich wieder einen Job als Buchhalterin suchen, für großartige drei Tausender im Monat, brutto. Davon abgesehen ging das heutzutage sowieso schon meistens alles per Computer.
Es war nicht zum Aushalten. Väterlicherseits stammte Brenda aus einer alten sizilianischen Familie, in der die Vendetta zum Leben gehört hatte. Ihre Mutter dagegen kam aus einer jüdischen Mittelklassefamilie und hatte sich ihr Lebtag für das Gangsterwesen in der Familie ihres Mannes geschämt. Und die Familie ihres Vaters hatte in der Tat so viel zu verbergen, daß Brenda auch jetzt noch eine Heidenangst vor Gerichten hatte.
Sie griff zum Telefon und wählte ihren Bruder Neil in Los Angeles an, aber es kam nur das Besetztzeichen. Sie versuchte es bei Annie, doch keiner hob ab. Sie machte noch einen Versuch bei Duarto und bekam nur den Anrufbeantworter. Da gab sie auf, ging in die Küche, griff sich die Schachtel mit den Eclairs und räumte mit ihnen auf.
6
Greenwich
Der nächste Morgen brachte Elise jenes gräßliche nadelfeine Stechen in ihrer linken Schläfe, gleich hinter dem Auge. Sie konnte sich nicht recht daran erinnern, wie sie die Nacht verbracht hatte. Ehrlich gesagt hatte sie so gut wie gar keine Vorstellung davon, wann sie eingeschlafen war, wie lange sie geschlafen hatte oder wie spät es jetzt sein mochte. Irgendwie war ihr Zeitgefühl aus den Fugen geraten oder etwas anderes. Wenn sie aufzuwachen pflegte, konnte sie sich zwar daran erinnern, was sie geträumt hatte, aber nicht daran, wie sie den Abend davor verbracht hatte. Und manchmal passierte es ihr, daß sie aufwachte und das beängstigende Gefühl hatte, nicht zu wissen, wo sie war. Dann pflegte sie immer ganz stocksteif zu liegen, kaum zu atmen, bis das Zimmer begann, ihr wieder irgendwie bekannt vorzukommen. In der Stadt selbst war es nicht ganz so schlimm, aber hier draußen in Greenwich war es irritierend.
Heute wußte sie genau, wo sie war, bloß nicht, wie sie hierher gekommen war. Oder wo sie gewesen war.
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