Der Club der Teufelinnen
Gummibär, und zwar wegen der – sicherlich unwahren – Behauptung, daß sie ihren ersten Mann noch als Callgirl kennengelernt, dabei ihr Gebiß herausgenommen und ihn dann so bedient hatte, daß er sich in sie verliebte. Seitdem hatte sie zweimal geheiratet und zwar jedesmal einen kleineren, reicheren Mann. Inzwischen hatte sie einen festen Platz unter den Tonangebenden im Bereich der gesellschaftlichen Wohlfahrtspflege, wo das Sehen und Gesehenwerden zu den unabdingbaren Notwendigkeiten gehörten. Keiner hätte je gewagt, sie dicken Gummibär zu nennen. Sie hatte hart gearbeitet und war ein Fixpunkt der New Yorker Gesellschaft geworden. Wenn es Gerüchte gab, daß ihr Mann sich neuen Interessen zuwandte, nun, dann mußte man erst einmal abwarten, ob er die neuen Bande wirklich zu festigen beabsichtigte.
»Ja, sie hat es geschafft«, mußte Susan zugeben, eine leicht pferdegesichtige, aber durchaus schicke Society-Blondine. »Und dauernd hängt sie mit der Khymer Mallison zusammen.«
»Meinst du die ›Schleimer‹ Mallison?« Melanie konnte es sich nicht verkneifen. Sie und Susan gingen zum Blondieren zu demselben Friseur wie Gunilla. Und Khymer ging nun auch dorthin. Alles machte sie Gunilla nach, angefangen vom Friseur bis hin zur Gymnastik bei Bernie und Roy. Sie war überall. ›Schleimer‹, so hatte man sie in einer Gesellschaftskolumne genannt. Jeder las diese Artikel, aber nur die, die sich gesellschaftlich völlig sicher fühlten, gaben das auch zu. Melanie und Susan konnten das, sie hatten das Geld ihrer Familien im Rücken, ihre Männer gehörten der Gesellschaft an und ihre berufliche Karriere war für sie bloß ein angenehmer Spaß. Es war einfach zu schön, dafür bezahlt zu werden, daß man das Geld anderer Leute ausgab.
»Du lästerst nur, weil Duarto ihren Auftrag bekommen hat«, mischte sich Charles, Susans Mann, ein. Das stimmte. Die beiden Frauen hatten sich um den Auftrag, das neue Stadthaus der Mallisons einzurichten, bemüht, waren aber ausgestochen worden. »Ich finde Khymer sehr nett, sie steckt voller Energie.«
»Oh, bitte.« Susan verdrehte die Augen. »Gunilla hat also ihr Werk an Shelby Cushman beendet und sich Khymers angenommen?« Gunilla war berühmt dafür, gesellschaftliche Möchtegerns zu adoptieren und ihnen weiterzuhelfen. Die Scharfzüngigen sagten, daß sie damit ihre eigene Position festigen wollte, da junger Reichtum, dem es gelang, in New York Fuß zu fassen, ihr zu Dankbarkeit verpflichtet war. Jeder wußte, daß ihr letztes ›Adoptivkind‹ Shelby Cushman gewesen war, die Frau von Morty Cushman, dem ausgeflippten Warenspezialisten aus der TV-Werbung. Susan konnte jedoch sehen, wie Gunilla Khymer ins gesellschaftliche Sibirien, an einen Tisch unter der Galerie im Ballsaal, verbannte und sich selbst auf einem der besten Plätze neben Shelby Cushman niederließ, einem Paradeexemplar der feinen Gesellschaft der Südstaaten, die dort ebenfalls mit ihrem untersetzten Mann Platz genommen hatte.
»Gunilla sieht gut aus«, mußte Melanie zugeben.
»Das muß sie einfach. Schließlich haben dafür eintausend Affen ihre Drüsen hergeben müssen.«
»Dort ist sie also gewesen. Und ich habe gedacht, in einem Zen-Refugium.«
»Ja, und nächste Woche kommt der Osterhase. Werd endlich erwachsen, Melanie.« Susan drehte sich zu einem anderen Tisch um. »Da wir gerade von Zen reden, dort kommt der Großmeister persönlich. Wenn überhaupt jemand, dann ist er ›jung und energiegeladen‹, Charles«, schnurrte sie ihrem Mann zu.
Kevin Lear war groß, sah gut aus und war berühmt als Schauspieler und Zen-Buddhist. Sogar in einer Stadt wie New York, wo man sich Filmschauspielern gegenüber blasiert gab, war sein Superstar-Glamour stark genug, daß man sich nach ihm umblickte. Er überquerte die Tanzfläche zum Haupttisch, seine um zwanzig Jahre jüngere Verlobte vor sich her führend. Seine Hand lag unterhalb ihrer Taille, dort wo der Ausschnitt ihres Kleides den Ansatz ihrer Gesäßbacken erkennen ließ. Viele Augen folgten dem attraktiven Paar. Annie, die an einem der vorderen Tische saß, drehte sich um, und während sie ihnen nachblickte, konnte sie sehen, wie zwei Finger des Stars in dem Ausschnitt verschwanden und noch tiefer glitten.
Sehr anregend, mußte sie denken, sehr Zen-mäßig. Ihr fiel eine Abwandlung eines Zen-Koan ein: Wie ist das Geräusch einer gleitenden Hand. Würde sie jetzt diese Hand schütteln wollen? Sie wandte die Augen ab, blickte sich um. Chris war,
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