Der Club der Teufelinnen
da und saß an einem der Vordertische. Also mußte sie die Zugluft ertragen. Annie strahlte ihn an und freute sich, als er aufstand, um sie zu begrüßen. »Wie reizend, Chris. Aber wir wollen doch nur etwas trinken. Wie hast du einen dieser Tische bekommen?«
»Vielleicht kann ich dich zu ein paar Blini überreden, du Magersüchtige.« Chris lächelte. »Und außerdem kennt man mich hier, wegen Paps.«
Natürlich. Aaron kannte alle First-class-Restaurants dieser Stadt, und es war nett, daß er Chris dort einführte. Es gehörte wohl zu den Erbrechten der Paradise, immer einen guten Tisch zu bekommen.
»Was möchtest du«, fragte Chris.
»Nur einen Weißwein, glaube ich.«
Er winkte einen Ober herbei, gab ihre Bestellung auf und nahm für sich noch ein Perrier.
»Und wie läuft es so?« wandte er sich ihr wieder zu. Seine Stimme klang für Annie übertrieben herzlich, irgendwie anders.
»Gut. Sylvie scheint es gutzugehen, und Alex hat am Samstag angerufen.«
»Mmh. Hat sonst noch jemand angerufen?«
Sie schaute ihn an. »Brenda Cushman noch.«
Er blickte sie ratlos an. »Wer?«
»Meine Freundin Brenda. Chris, was steckt hinter diesen Fragen?«
»Paps hat nicht angerufen?«
Sie spürte, wie sich ihr Magen verkrampfte, aber sie glaubte, daß sie ihren Gesichtsausdruck unter Kontrolle behielt.
»Ma, Paps hat mich zu seiner Hochzeit eingeladen.«
Sie bemühte sich, ihre Gefühle nicht zu zeigen. »Das kann man doch erwarten. Immerhin bist du sein Sohn.«
»Sein zweiter Sohn.« Annie hatte den Eindruck, daß seine Stimme verbittert klang. »Hat er angerufen und dich informiert?«
Schon immer hatte sie sich vor diesem Augenblick gefürchtet. Sie wollte keinen ihrer Söhne in ihre ganz private Angelegenheit mit Aaron hineinziehen oder ihn vor den Kindern anschwärzen. Das wäre verabscheuenswürdig. Sie lächelte. »Nein, aber das braucht er auch nicht. Wir sind geschieden. Er kann tun und lassen, was er will …«
»Ma, laß gut sein! Hör auf, ihn in Schutz zu nehmen«, fiel Chris ihr ins Wort. »Hör auf, immer so verdammt fair zu sein.« Er blickte weg, riß sich zusammen und wandte sich ihr wieder zu. »Du solltest wissen, daß ich kein kleines Kind mehr bin. Ich habe ein Recht zu wissen, was da vorgeht!«
»Aber gewiß doch. Allem Anschein nach wird dein Vater wieder heiraten.«
»Ja, deine Therapeutin.«
Annies Augenlider zuckten. »Ich habe die Behandlung bei Frau Dr. Rosen schon vor langem abgebrochen.«
»Du liebe Güte, Ma.« Seufzend schüttelte Chris den Kopf. »Ich versuche herauszufinden, wie ich zu der ganzen Sache stehe, und du willst mir dabei nicht helfen.«
»Ich habe eher den Eindruck, daß du versuchst herauszufinden, wie ich zu dieser Sache stehe.«
»Ja, das gehört dazu, Ma. Mir hat einiges an Paps Verhalten bei der Arbeit nicht so recht gefallen. Er ist …« Chris hielt inne. Man konnte seinen Schmerz spüren.
Er ist loyal, dachte Annie, loyal gegenüber seiner Schwester, mir und gegenüber seinem Vater. War es überhaupt möglich, allen gegenüber gleichermaßen loyal zu sein, oder würde ihn das zerreißen? Glücklicher Alex, der von alldem weit entfernt war. Alex war eher so wie Aaron, Chris dagegen mehr so wie sie selbst. Diese Erkenntnis gab ihr einen Ruck.
»Paps ist härter, als ich dachte«, fuhr Chris schließlich fort.
»Ohne Härte kann man kein Geschäft führen, Chris.«
»Er stellt Onkel Jerry bloß. Vor den übrigen Angestellten. Er macht ihm Vorwürfe, auch wenn er keine Schuld hat.«
»Probleme unter Partnern sind keine Seltenheit.«
»Ich habe den Eindruck, als ob Paps keinen Wert mehr auf eine Partnerschaft mit Jerry legt. Wäre es dann nicht besser, wenn er es offen sagen würde?«
Er schwieg und ergriff ihre Hand. »Ma, ich war ja auch auf Alex' Examensfeier. Ich habe euch beide gesehen, Paps und dich, wie ihr Händchen gehalten habt. Und dann im Hotel.« Er seufzte. »Ma, ich bin mit jemandem befreundet. Mit einer Frau, die ich wohl wirklich lieben könnte. Das hat mich wohl auch etwas, ja, sensibler gegenüber derartigen Dingen gemacht. Deshalb weiß ich auch, was zwischen dir und Paps damals in Boston in der Luft lag. Ich war wohl nicht nur kindisch, wenn ich damals gedacht habe, daß ihr beide wieder zusammenkommen würdet.«
Annie spürte, daß ihre Lippen zitterten. In dieser Scheißwelt war es nicht möglich, irgend jemanden beschützen zu wollen. »Nein, du warst nicht kindisch.«
»Aber es ging nicht?«
»Nein.«
»Aber hat Paps
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