Der Code des Luzifer
noch etwas anderes. Wenn das Fieber in den nächsten Stunden ausbricht, kommt er durch«, sagte Fauvre.
»Wir brauchen einen Arzt«, wandte Sophie ein.
Fauvre öffnete den Arztkoffer, den seine Tochter ihm gebracht hatte. »Bis der hier wäre, würde er nicht mehr gebraucht. Ob aus dem einen oder dem anderen Grund«, sagte er und zog eine neue Spritze auf. »Entweder hat er sich dann erholt oder er ist tot.«
»Wir sollten es wenigstens versuchen!«, sagte Sophie ungeduldig.
Abdullah berührte sie an der Schulter. »Sophie, ein Sandsturm ist angesagt. Da würde kein Arzt es wagen.«
Fauvre gab Max die Spritze und nickte zufrieden, dass er alles getan hatte, was im Augenblick möglich war. »Sorg dafür, dass er es kühl hat, wasch ihm das Gesicht und flöß ihm so viel Wasser ein, wie er trinken kann. Schaffst du das?«, fragte er ernst.
Ihr Vater übertrug ihr die Verantwortung für Max’ Pflege. Sie nickte. Fauvre machte kehrt und gab Abdullah zu verstehen, er solle mit ihm kommen. Sophie drückte den nassen Waschlappen aus und wischte Max den Schweiß von der Stirn. Sie senkte ihr Gesicht dicht vor seines, versuchte sich vorzustellen, was in diesem Jungen vorgehen mochte, der mit bebenden Lippen im Fieber leise stöhnte. Sie berührte die Schnur um Max’ Hals und spürte den in dem Anhänger gefassten Stein. Erst nachdem ihr Vater und Abdullah gegangen waren, fiel ihr auf, dass sie Max mit den Händen ans Bettgestell gefesselt hatten.
Während Sophie in den folgenden Stunden an Max’ Bett wachte, hing Fauvre seinen Gedanken nach. Vor Monaten hatte Zabala ihm ein Päckchen anvertraut. Er durfte es erst aufmachen, wenn er ein zweites Päckchen erhielt. Oder falls Zabala – er hielt das anscheinend für unabwendbar – getötet würde. Fauvre hatte sich an die Anweisungen seines Freundes gehalten, doch die Zeichnungen in dem dicken braunen Umschlag zeigten nicht mehr als die vor gut zwanzig Jahren von einem Astrologen gemachte Vorhersage – genau das, was Zabalas Untergang gewesen war. Alte Geschichten, die das Leben eines Menschen mit einem Fluch belastet hatten. Warum, zum Teufel, hatte Zabala diesen ganzen Unsinn nicht einfach vergessen? Sein ganzes Können hatte er damit verschwendet.
Fauvre nippte an einem Glas Cognac und dachte an seinen alten Freund. Der Spott, den Zabala damals ertragen musste, hatte den Lauf seines Lebens geändert. Seitdem hatte er sich nur noch zwei Dingen gewidmet: Er hatte Fauvre geholfen, einige der gefährdeten Tiere an einen sicheren Ort zu bringen, und er hatte die Wahrheit ans Licht bringen wollen. Die Wahrheit – dieses trügerische Wort, das für so viele Menschen je Unterschiedliches bedeutete – war für Zabala immer das höchste Gut gewesen. Die Wahrheit aufzudecken war deshalb das eigentliche Ziel des Mönchs Zabala, denn sie würde seine Theorien bestätigen und – das hatte er immer wieder betont – Europa vor einer schweren Katastrophe bewahren. Was diese Katastrophe ausmachte, das wusste allerdings nur der Wissenschaftler Zabala, der sein Ansehen verloren hatte.
Als Zabala ihm vor ein paar Wochen die Nachricht übermittelte, er besitze Informationen über die Tierschmuggler, war diese »Wahrheit« noch lange nicht enthüllt.
Fauvre konnte ja nicht selbst in die Pyrenäen fahren, aberZabala hatte betont, seine Informationen seien sehr wichtig, sie müssten mit den Dokumenten zusammengeführt werden, die Fauvre bereits hatte. Der Mönch hatte sie Fauvre selbst bringen wollen, war jedoch davon überzeugt, dass man ihn beobachtete. Zabala fürchtete um sein Leben. Erst vor Monaten hatte ein Freund ihn verraten. Die Schlinge der Mörder zog sich bereits zu.
Fauvre wollte dieses Geheimnis ergründen. Wollte mit eigenen Händen den Grund spüren, der seinen Freund so viele Jahre lang angetrieben hatte. Und jetzt war Max Gordon aufgetaucht – der Bote mit dem zweiten Päckchen? Was sollte das sein? Was hatte Zabala Max gesagt? Irgendwie war Max an Informationen gelangt, um genau hierhin zu finden, an den Ort, den Zabala im Sinn gehabt hatte. Der alte Mann hatte ihm die entscheidende Warnung in einer Sprache mitgeteilt, die nur ganz wenige sprechen konnten. Fauvre hatte jetzt keinen Zweifel mehr – Max Gordon besaß den Schlüssel zur Wahrheit.
Das tobende Fieber wich allmählich aus Max’ Körper, seine jugendliche Kraft hatte dagegen gekämpft und gewonnen, doch noch umfing ihn heilsamer Schlaf mit tiefer Dunkelheit. Es musste noch mehr Zeit vergehen,
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