Der Code des Luzifer
entwickeln wie er. Sein bester Freund schien einen Plan nicht nur entwerfen, sondern auch durchführen zu können. Sayid würde alles tun, um ihm zu helfen, das stand unumstößlich fest, aber er wusste auch, dass er nicht den Instinkt – ja, das war es –, den animalischen Instinkt besaß, den man zum Überleben brauchte. Aber Max verfügte darüber.
Die Lawine, vor der sein bester Freund ihn gerettet hatte, war mit Sicherheit nicht so riesig gewesen wie die, von der Max fortgerissen worden war. Schon die Vorstellung, wie ein ganzer Berghang aus Schnee ins Rutschen geriet, erfüllte ihn mit Entsetzen.Lebendig begraben zu werden. Zerquetscht. Was für ein Tod. Max hatte Recht: Er verdankte sein Leben der Entschlossenheit dieses Mönchs.
»Ich möchte mehr über ihn herausfinden«, sagte Max.
»Und du meinst nicht, wir sollten das einfach der Polizei überlassen? Mensch, Max, vergiss nicht, jemand hat versucht, ihn zu ermorden.«
»Er hat mir das Leben gerettet.«
»Aber es ist nicht deine Schuld, dass er gestorben ist«, sagte Sayid.
»Er hätte mich unter der Lawine liegen lassen können, Sayid, er hätte ins Tal fahren und vielleicht noch einen Arzt erreichen können. Ich bin ihm das schuldig. Er war verzweifelt. Er hat mich angefleht.«
»Er hat dich gewarnt!«
»Und das war auch wichtig.«
Sayid wusste, es hatte keinen Sinn, Max etwas ausreden zu wollen, wenn er sich einmal dazu entschlossen hatte. »Allein fahre ich nicht nach England zurück, Max. Versprich mir, dass dir nichts passiert, ja?«
»Ich komme zurück, und dann fahren wir zusammen. Versprochen.«
»Du brauchst also noch etwas Zeit. Wie lange?« »Mindestens noch einen Tag. Bist du eigentlich ein guter Schauspieler?«
»Redest du von diesen schrecklichen Schmerzen, die plötzlich von meinem Bein in meinen Rücken ausstrahlen, ganz zu schweigen von meinen rasenden Kopfschmerzen?«
Max grinste. »Übertreib’s nicht mit den Kopfschmerzen. Sonst untersuchen die noch deinen Kopf und finden raus, dass da nichts drin ist.«
Bobby Morrell hatte im Krankenhaus angerufen, um sich nach Max zu erkundigen. Jetzt wählte Max die Nummer der Jugendherberge in Mont la Croix, wo er und die anderen Teilnehmer des Wettbewerbs wohnten. Man sagte ihm, Bobby sei auf der Piste – wo sonst? Er käme erst zurück, wenn es dunkel würde. Max war auf die Hilfe des Amerikaners angewiesen. Er sagte dem Portier, was er Bobby ausrichten sollte, und vergewisserte sich, dass der Mann alles genau verstanden hatte.
Max zog die Krankenhaussachen aus, Schlafanzug und Morgenmantel, und nachdem er seine Cargohose, den Fleecepullover und die Stiefel angezogen hatte, fühlte er sich gleich besser. Nur so hatte er das Gefühl, er selbst zu sein. Er hielt seine Finger unter den Wasserhahn und verwuschelte seine Haare. Dann schlang er sich die Schnur mit dem Messinganhänger um den Hals und versteckte ihn unter dem Pullover. Was er mit dem kaputten Rosenkranz anfangen sollte, wusste er noch nicht so recht.
Die junge baskische Schwester brachte ein Tablett mit Essen herein; sie hatte natürlich erwartet, dass er im Bett lag.
»Was hast du vor? «
Max dachte kurz nach. »Ich muss die Sachen meines Freundes holen. Die Kleider und alles. Wir fahren nach England zurück. Der Arzt hat gesagt, das ist in Ordnung.«
»Aber erst morgen. Oder?«
Sie stellte das Tablett ab, schüttelte unwillig den Kopf, legte eine Hand auf seine Stirn und dann zwei Finger an sein Handgelenk. Mit der freien Hand zupfte sie zerstreut den Pullover an seiner Schulter zurecht, während sie seinen Puls fühlte. Max wehrte sich nicht dagegen. Große Schwestern waren manchmal schwierig, das wusste er. Nicht, dass er eine hatte, aber er kannte das von Baskins, einem der unangenehmsten Schüler auf seinerSchule, der sich andauernd mit seinem Kumpel Hoggart prügelte. Jedes Mal, wenn seine Familie zu Besuch kam, platzte er fast vor Wut, weil seine Schwester ihm immerzu an den Haaren und an den Kleidern herumzupfte und ihm auch sonst das Leben zur Hölle machte. Grauenhaft. Max hatte gelernt, dass manche Mädchen in diesen Dingen einfach nicht zu bremsen waren.
Die Krankenschwester schien mit seinem Puls zufrieden, aber irgendetwas ließ sie zögern.
»Alles in Ordnung?«, fragte Max. »Kein Schnee oder Eis in mir drin, das noch aufgetaut werden muss?«, scherzte er, aber sie ging nicht näher darauf ein.
»Doch, alles in Ordnung«, sagte sie. Ihre Finger berührten das Kreuz in seiner Hand. »Das
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