Der Code des Luzifer
Schwester hörte etwas klimpern, ging dem Geräusch nach, erblickte die Münze und hob sie vom Boden auf. Bis dahin war Max längst an der offenen Tür vorbeigehuscht.
Er kam an ein paar Privatzimmern vorbei und wurde plötzlich unsicher. War das der richtige Flur? Er konnte sich an das Zimmer nicht erinnern, nachts sah alles anders aus. Aber dann hörte er ein Geräusch, das ihn sicher zum Ziel führte.
Gleich darauf öffnete er die Tür von Sayids Zimmer. Sein bester Freund lag im Bett und schnarchte mit offenem Mund, wie ein glückliches Schwein im Stroh. Max schüttelte ihn sanft. Sayid warf sich stöhnend auf die Seite und schnarchte noch lauter. Max schüttelte ihn etwas heftiger, aber er rührte sich nicht. Er hielt ihm mit einer Hand den Mund zu, vielleicht half das ja.Das Schnarchen verstummte und sein Freund begann sich zu winden. Max nahm die Hand weg, und als Sayid nun keuchend Luft holte, kippte er ihm das Glas Wasser von seinem Nachttisch ins Gesicht.
Sayid würgte. Max nahm sein Gesicht in beide Hände und flüsterte: »Sayid! Ruhig! Ich bin’s!«
Sayid machte zögernd die Augen auf, er hustete jetzt nicht mehr. Er sah Max verschlafen an und murmelte: »Max … hey, ich hatte … große Schmerzen …« Er lachte benommen. »Es hat funktioniert. Haha … es hat geholfen.«
Sayid schlief fast wieder ein. Max schüttelte ihn. Sein Freund machte die Augen wieder auf. »Max. Hi. Habe eben geträumt, du … hättest mir Wasser … ins Gesicht … hey, was machst du eigentlich hier … ?«
Er war total von der Rolle. Für lange Erklärungen blieb Max keine Zeit. Er schüttelte ihn noch einmal. »Sayid, hör zu. Wir müssen hier raus. Nicht wieder einschlafen!«, sagte er und tätschelte seine Wange.
Sayid riss sich zusammen. »Ja, ja. Schon gut, Max. Wohin soll’s denn gehen?«
»Erkläre ich dir später.« Max hob ihn aus dem Bett und setzte ihn in den Rollstuhl, klappte die Beinstütze hoch und legte eine Decke über ihn. Sayids Kopf sank müde auf seine Brust. Max zog ihn an den Haaren. Der Kopf ruckte wieder hoch.
»Ist ja gut! Ich bin wach!«, murmelte er.
Max machte den Schrank auf und warf Sayids Kleider und Schuhe aufs Bett. Er wickelte alles in die dünne Bettdecke und legte das Bündel auf Sayids Schoß. Wenn Sayid jetzt wieder einschlief, würde er aus dem Rollstuhl rutschten. Also riss er einen Streifen vom Laken ab, zog ihn unter Sayids Achseln durch und knotete ihn hinten fest zusammen.
Max hörte den Aufzug brummen. Da kam jemand.
Er nahm die beiden Krücken, schob eine unter den Lakenstreifen und hängte die andere mit dem Griff an Sayids Arm.
»Sayid, hör mir zu. Du musst wach bleiben und mit der Krücke die Türen aufstoßen, denn sonst knallt dein Fuß dagegen, und das wäre gar nicht gut. Fertig?«
Sayid nickte und leckte sich die trockenen Lippen. »Wasser«, krächzte er.
Max hielt ihm die Karaffe an den Mund und ließ ihn ein paar Schlucke nehmen. »Das reicht. Du bist schließlich kein Kamel, und wir können unterwegs nicht haltmachen, um aufs Klo zu gehen.«
Er sah kurz nach, ob draußen die Luft rein war. Dann schob er den Rollstuhl auf den Korridor, aber nicht zum Hauptlift, sondern in die andere Richtung, direkt auf die linke Hälfte einer breiten Schwingtür zu. Der Lift hielt und machte »Ping«.
»Los geht’s! Halt dich fest.«
Sayid packte die Krücke, die als Rammbock dienen sollte, und stieß die Tür auf. Dahinter gelangten sie in einen Versorgungsbereich, wo sie zwischen herumstehenden Rollstühlen und Rollwagen hindurchmanövrieren und schließlich nach links um die Ecke biegen mussten. Aber Max kam nicht um die Ecke herum. Jemand hatte mitten im Gang einen Reinigungswagen mit Putzmitteln und Wischmopps abgestellt, und daran kamen sie nicht vorbei. Max war dem Hinweisschild zum Lastenaufzug gefolgt, aber dieser Fluchtweg war ihnen versperrt.
Max blickte über die Schulter. Wer auch immer hier heraufgekommen war, musste inzwischen in der Nähe von Sayids Zimmer sein.
»Warte mal kurz, Sayid.«
Max lief zu der Doppeltür zurück, spähte durch den schmalenSpalt in der Mitte und sah einen Mann mit Stoppelbart auf sich zukommen. So wie der aussah, passte er ganz und gar nicht in die sterile Atmosphäre eines Krankenhauses. Max nahm an, dass er die Angestellten überredet hatte, ihn reinzulassen. Vielleicht hatte er ihnen erzählt, er sei ein Verwandter. Aber egal, welchen Trick er angewendet hatte, jetzt war er hier. Die Nachtschwester begleitete ihn,
Weitere Kostenlose Bücher