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Der Codex

Titel: Der Codex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Preston
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zitternder Sti m me.
    Vernon schmierte noch mehr von dem chemischen Zeug auf seine Hände und rieb dann das Gesicht und den Hals des Lehrers vorsichtig ein. Der Lehrer seufzte erleichtert, schüttelte sich noch einmal und schloss wieder die Augen.
    Vernon zog sein nasses Hemd aus, spürte den heftigen Regen auf seinem Rücken und lauschte den Geräuschen des Waldes und den fremdartigen Schreien der Paarung und Gewalt. Er dachte über den Tod nach. Er hatte den Ei n druck, dass die Frage, die er sich sein Leben lang gestellt hatte, kurz vor der Beantwortung stand. Aber die Antwort würde unerwartet und ziemlich grauenhaft ausfallen.

20
     
    Zwei Tage lag eine dichte, schützende Dunsthülle über dem Fluss. Tom und Sally stakten flussaufwärts, folgten sich dahinschlängelnden Seitenarmen und hielten eine strenge Politik des Schweigens ein. Sie waren Tag und Nacht u n terwegs und wechselten sich beim Schlafen ab. Außer Sa l lys zwei Schokoriegeln hatten sie wenig zu essen, de s wegen wurden sie rationiert. Unterwegs pflückten sie e t was Obst. Von den sie verfolgenden Soldaten sahen sie ke i ne Spur. Tom hoffte allmählich, dass sie aufgegeben hatten und nach Brus zurückgekehrt waren. Vielleicht waren sie ja auch i r gendwo stecken geblieben. Der Fluss wimmelte von Sand- und Schlammbänken sowie versunkenen Bau m stämmen, an denen Boote hängen bleiben konnten. Waono hatte Recht gehabt.
    Am Morgen des dritten Tages hob sich der Dunst allmählich und enthüllte die beiden tröpfelnden Wände aus wild wuchernder Dschungelvegetation, die den Schwarzwasser-Fluss säumten. Kurz darauf erspähten sie einen über dem Wasser aufragenden Pfahlbau mit geflochtenen Wänden und Reetdach. Dahinter tauchte ein Ufer mit Granitfindli n gen und einem steilen Uferdamm auf - das erste trockene Land, das sie seit Tagen zu sehen bekamen. Am Ufer des Flusses wurde ein Anlegeplatz wie in Brus erkennbar - eine wackelige Plattform aus Bambusstäben, die an schlanken, in der Erde versunkenen Baumstämmen befestigt war.
    »Was meinen Sie?«, fragte Tom. »Sollen wir anhalten?«
    Sally stand auf. Auf der Plattform angelte ein Junge mit Pfeil und Bogen.
    »Pito Solo?«
    Doch der Junge hatte sie gesehen. Er rannte schon davon und ließ seine Rute zurück.
    »Machen wir einen Versuch«, sagte Tom. »Wenn wir nichts zu essen kriegen, sind wir erledigt.« Er stakte zum Anlegeplatz.
    Sie sprangen aus dem Boot, und die Plattform knackte und wankte beängstigend. Dahinter führte eine wackelige Planke auf eine steile Anhöhe, die aus dem überfluteten Urwald ragte. Kein Mensch weit und breit. Sie kletterten den schlüpfrigen Uferdamm hinauf, wobei sie ständig im Schlamm ausrutschten. Alles war klitschnass. Ganz oben befand sich eine kleine offene Hütte, in der ein Feuer bran n te. Ein alter Mann saß in einer Hängematte und briet auf einem Holzspieß ein Tier. Tom beäugte es, wobei ihm der köstliche Duft des bratenden Fleisches in die Nase stieg. Sein Appetit ließ etwas nach, als er feststellte, dass es sich um einen Affen handelte.
    »Hola«, grüßte Sally.
    »Hola«, sagte der Mann.
    Sally sprach Spanisch. »Ist das hier Pito Solo?«
    Langes Schweigen machte sich breit. Der Mann maß sie mit leerem Blick.
    »Er spricht kein Spanisch«, sagte Tom.
    »Wie kommen wir zum Dorf? Dónde? Wo?«
    Der Mann deutete in den Dunst. Ein lauter tierischer Schrei ertönte, der Tom zusammenzucken ließ.
    »Da ist ein Pfad«, sagte Sally.
    Sie gingen den Pfad hinauf und erreichten kurz darauf den Ort. Er lag auf einer Anhöhe oberhalb des übe r schwemmten Regenwaldes und war eine bunt zusamme n gewürfelte Ansammlung von Lehmflechtwerkhütten mit Blech- oder Reetdächern. Hühner ergriffen die Flucht, als sie sich näherten. Magere Hunde pirschten an den Hau s wänden entlang und beäugten sie mit argwöhnischen Bli c ken. Sie schlenderten durch das Dorf, das einen verlass e nen Eindruck machte und ebenso plötzlich, wie es angefa n gen hatte, an einer soliden Dschungelmauer endete.
    Sally schaute Tom an. »Was jetzt?«
    »Wir klopfen.« Tom wählte willkürlich eine Tür aus und klopfte an.
    Stille.
    Tom hörte ein Rascheln und schaute sich um. Zuerst sah er nichts, dann wurde ihm klar, dass ihn hundert dunkle Augen aus dem Blättergewirr des Urwaldes musterten. Es waren ausnahmslos Kinder.
    »Wenn ich doch noch Süßigkeiten hätte«, sagte Sally.
    »Nehmen Sie einen Dollar.«
    Sally zückte einen Dollar. »Hallo? Möchte jemand einen amerikanischen

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