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Der Colibri-Effekt

Der Colibri-Effekt

Titel: Der Colibri-Effekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Vorndran
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Rotenhenne.« Sie klang geschockt, sprach
abgehackt.
    »Und?
Geht’s ihr nicht so gut?«, fragte Haderlein besorgt.
    »Jemand
hat sie umgebracht«, sagte die Polizeipsychologin mühsam beherrscht.
    Im ersten
Moment war Haderlein sprachlos.
    »Jemand
hat sie geköpft«, teilte ihm die Polizeipsychologin mit bebender Stimme und so
erschüttert mit, dass sie sofort auflegen musste. Haderleins Stimmungsjet
befand sich nach kurzem Höhenflug wieder im freien Fall.
    »Und du
kannst dich an wirklich gar nichts mehr erinnern?«, fragte Lagerfeld. HG  Jahn, der vor sich hin brütete, seit sie mit
dem Learjet in Dänemark gestartet waren, schwieg und schaute ihn aus leeren
Augen an. Schon auf dem Flug von Norwegen hatte er stumm dagesessen und das
Foto angestarrt, das ihn selbst, Ewald und Marit zeigte. Lagerfeld hatte ihn
erst einmal in Ruhe gelassen. Erstens war es in einem Hubschrauber eh viel zu
laut für eine Unterhaltung, und zweitens musste HG erst einmal das verdauen, was ihm Lagerfeld über die Gesamtsituation erzählt
hatte. Nun aber wurde es langsam Zeit für HG ,
sich ein bisschen zusammenzureißen.
    Lagerfeld
öffnete die kleine weiße Pappschachtel, die ihm HG gerade gegeben hatte, legte den Inhalt vor sich auf den Boden und fotografierte
ein Teil nach dem anderen: ein kleines Gerät in der Größe einer
Zigarettenschachtel, eine kleine Glasampulle, die eine Flüssigkeit enthielt,
den Kantinenplan, den er selbst beigesteuert hatte, das große Hakenkreuz auf
dem Boden der Schachtel und die Schachtel an sich. Dann legte er alle
Utensilien wieder in die Box zurück.
    Es
brachte nicht viel, im Flugzeug in hektischen Aktionismus zu verfallen. Wenn er
mit HG in Hof gelandet war, würde schon ein Auto
bereitstehen und sie nach Bamberg auf die Dienststelle bringen. Aber am
allermeisten freute er sich auf seine Ute. Auch wenn sie im Unfrieden getrennt
worden waren, merkte er jetzt doch, wie sehr er sie vermisst hatte. Baustelle
hin oder her, es würde sich alles wieder einrenken und zusammenfügen. Nach
dieser irren Geschichte, die Hans Günther widerfahren war, merkte er erst, wie
gut er es mit Ute getroffen hatte. Wenn er ehrlich war, glaubte er nicht mehr
an ein Überleben von Marit und Ewald, wenngleich die genauen Hintergründe noch
ungeklärt waren. Die Traurigkeit seines Freundes musste Gründe haben, auch wenn
er sich an das Geschehene nicht mehr erinnern konnte. Nachdenklich blickte der
Kommissar aus dem Fenster der kleinen Maschine und betrachtete die norddeutsche
Wolkendecke von oben. Plötzlich fiel ihm etwas ein, er kramte die weiße
Pappschachtel wieder hervor, nahm das gläserne Fläschchen mit der unbekannten
medizinischen Bezeichnung wieder heraus und betrachtete es noch einmal genauer.
Er hatte richtig gesehen, die Ampulle war nur noch halb voll. Als er das
Glasfläschchen umdrehte, sah er, dass die Gummiabdeckung am Kopf der Ampulle in
der Mitte perforiert worden war. Jemand hatte sie mit einer Nadel durchstochen
und ungefähr die Hälfte der Flüssigkeit entnommen. Erstaunt steckte er das
Fläschchen in seine Jackentasche, als er ein leises Stöhnen hörte. HG saß kreidebleich auf seinem Sitz auf der
gegenüberliegenden Gangseite und schaute ihn aus verquollenen Augen an. In
seiner offenen Hand, die auf dem Sitzpolster neben ihm ruhte, konnte Lagerfeld
eine kleine Spritze mit einer Injektionsnadel erkennen. Bernd Schmitt stürzte
zu HG hinüber und nahm ihm die leere Spritze ab.
    »Bist du
noch zu retten?«, brüllte Lagerfeld. »Du kannst dir doch nicht einfach dieses
Zeug spritzen! Du weißt ja nicht einmal, was das überhaupt ist!«
    Auf der
blassen Stirn HG s bildeten sich große
Schweißperlen, während er seinen Hemdsärmel wieder herunterkrempelte.
    »Doch,
ich weiß jetzt wieder, was das ist«, sagte Hans Günther Jahn und hob müde das
Foto von sich, Ewald und Marit in die Höhe. »Das hier hat eine weitere Tür
geöffnet, Bernd. Eine große Tür. Marit ist dafür verantwortlich.« Er schaute
durch das kleine Fenster auf die Wolken, dann drehte er sich zu Lagerfeld um
und legte ihm die linke Hand auf das Bein. »Setz dich, Bernd, und hör mir gut
zu. Wer weiß, wie lange ich überhaupt noch reden kann.« Mit schleppender Stimme
erzählte er, was langsam aus den Tiefen seiner Erinnerung wieder auftauchte.

Svalbard
    Er saß in
seinem Container auf der »Bardal« und steuerte das ROV mit Namen »Cougar«, das den technischen Kern seiner Firma darstellte. Das
Mini-U-Boot hatte seit mehreren

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