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Der Colibri-Effekt

Der Colibri-Effekt

Titel: Der Colibri-Effekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Vorndran
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Tageslicht gebracht hatte,
was dem kurzen Sommer abzuringen war. Die volle Wahrheit erkannten die drei
endgültig, als sie das größte Haus der Siedlung erreichten. Vor dem fleckigen
Gebäude stand ein großes Schild, auf das mit schwarzer Schrift »Wolfsschanze«
geschrieben worden war. An der Haustür klebte ein großes Hakenkreuz, und an die
Hauswand hatte irgendwer »Führerbunker« gesprayt. Darunter stand groß und fett:
» HS  Hammerskins – Division Hess«.
    Trotz des
immer noch freundlichen Dag Moen, der sie in den Führerbunker bat, hatte sie
inzwischen ein schreckliches Gefühl beschlichen, das sie nicht trügen sollte.
Als sie das Haus betraten, wurden sie von kahlköpfigen Männern in schwarzen
Hosen und Springerstiefeln durchsucht. Im Inneren fielen ihnen zuallererst die
spärlich bekleideten Frauen auf, die mit einigen der Nazis Wodka tranken. Es
waren russische Prostituierte, die man mehr oder weniger freiwillig
hierhergebracht hatte, wie sich später rausstellte. Dazu wummerte martialische
Musik aus schwarzen Lautsprechern. Marit klammerte sich an HG . Sie spürte die Gefahr.
    Dag Moen
und sein Komplize Sedat stellten sie einem großen, grimmig blickenden
Muskelprotz vor, der anscheinend der Anführer der Nazitruppe war. Hinter ihm
standen wie eine Leibgarde zwei ebenso brutal wirkende Männer, die sich wie ein
Ei dem anderen glichen. Sie hießen Hans und Moritz, wie ihnen später gesagt
wurde. Von allen wurden sie nur »die Kiesler-Zwillinge« genannt und hatten sich
auf der jeweils linken Halsseite etwa zehn Zentimeter groß in Schwarz das
Zeichen der Waffen- SS eintätowieren lassen. Zwei
blond gelockte, ergebene Diener ihres Herrn, der sich mit Rutger Kesselring
vorstellte. Keiner von den Anwesenden machte sich die Mühe, die Waffen zu
verbergen, die sie bei sich trugen und die überall herumlagen. Rutger und die
tätowierten Zwillinge ließen langsam und genüsslich ihre lüsternen Blicke über
Marits Körper wandern. Ihre Finger gruben sich tief und fest in seinen linken
Oberarm, obwohl sie versuchte sich äußerlich nichts anmerken zu lassen. Als
Norwegerin verlor man nicht so schnell die Fassung. HG überlegte fieberhaft. Was hatten deutsche Skinheads hier zu suchen? Und vor
allem: Was hatten sie mit seinem Auftrag zu tun?
    Er hatte
sich nie sonderlich mit Rechtsradikalen beschäftigt, und ihm waren noch nie
welche über den Weg gelaufen, auch wenn er während seiner Bundeswehrzeit
durchaus mit der einen oder anderen Weltanschauung konfrontiert worden war, die
ihn doch sehr am geschichtlichen Verständnis des einen oder anderen Kameraden
hatte zweifeln lassen. Und dann traf er diese Figuren ausgerechnet hier, am
nördlichsten Zipfel Europas. Wenn die braunen Typen hinter seinem Auftrag
steckten, dann ließ das Böses erahnen. Er hatte gute Lust, auf der Stelle die
Nagelprobe zu machen, sich umzudrehen und zu gehen. Es wäre interessant, zu
sehen, was dann passieren würde.
    Doch
schließlich setzten sich alle Beteiligten, jeder bekam eine Flasche Bier, und
Dag Moen übernahm die Moderation dieses nicht besonders entspannten
Beisammenseins. Er hielt sich nicht lange mit Höflichkeitsfloskeln auf, sondern
legte ihnen als Erstes einen in Plastik eingeschweißten Packen
Fünfhundert-Euro-Scheine auf den Tisch.
    »Das hier
sind weitere zweihunderttausend Euro, meine Herren. Und wenn Sie Ihre Arbeit zu
unserer Zufriedenheit vollendet haben, erhalten Sie die gleiche Summe noch
einmal. In bar natürlich«, sagte Dag Moen auf Deutsch.
    »Und was
sollen wir nun untersuchen?«, fragte Tom Romoeren. »Das mit den Manganknollen
war ja wohl nur ein Vorwand, oder?«
    Sofort
erschien ein dünnes Lächeln auf Rutgers Gesicht. »Natürlich werdet ihr keine
Manganknollen suchen, sondern für uns etwas aus einem U-Boot holen. Es liegt
ungefähr hundertneunzig Kilometer südlich von hier.«
    Die
Zwillinge hinter Rutger entkleideten Marit Evensen weiterhin mit ihren Blicken.
    »Es ist
ein ganz normales Geschäft«, fügte Dag Moen noch hinzu. Er wollte den Ball
eindeutig flach halten. »Und Ihre zweifellos fachlich hochkompetente Arbeit
wird ja auch entsprechend bezahlt werden.«
    Jahn fiel
auf, dass Dag und Sedat nicht zu der restlichen Bande passen wollten und sich
in ihrem Kreis auch nicht besonders wohlzufühlen schienen. Sie wirkten so, als
wollten sie nur ein Geschäft über die Bühne bringen, um dann möglichst schnell
von hier zu verschwinden.
    Die
Situation wirkte zwar bedrohlich, aber es half auch

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