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Der Computer und die Unsterblichen

Der Computer und die Unsterblichen

Titel: Der Computer und die Unsterblichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bester
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Erlöser-Hermaphroditen entwickeln. Aber nein, da gab es keine Chance. Ich war sozusagen freischwebend aufgehängt, aber nicht gefroren. Ich mußte die Strafvollzugsforscher bewundern, die das Konzept entwickelt hatten. Man will, daß die Gesetzesbrecher im Knast bleiben? Nichts leichter als das: man euphorisiert sie, und Schluß mit Rhabarberkuchen und Armbanduhren. Auch mit Helden.
    Ich weiß nicht, wieviel Zeit verging. Hunger ist heutzutage kein Zeitmesser; jeder ißt in unregelmäßigen Abständen. Poulos war oben (oder unten) in der Blase, lächelte über seine eigenen Gedanken und summte dazu. Ich glaube, ich schlief eine Weile, aber leider war die Blase nur unzulänglich isoliert, und so wurde ich von ›Goniff 69‹ geweckt, einer populären Unterhaltungssendung, die plötzlich in unser Gefängnis projiziert wurde. Leukemia Lavalier, eine zartgliedrige Nekrophile, muß ihren kränklichen Sohn ins Krankenhaus bringen, wo er vom gütigen Doktor Marcus Brutus, Facharzt für Phrenologie, der ein Doppelleben als stellvertretender Geschäftsführer im Einkaufszentrum führt, einer Notoperation unterzogen wird. Ein echter Knüller.
    Ich weiß nicht, wieviel später es war, als Sequoia eingeschlafen war und ich Fee beiseite nehmen konnte.
    »Also, was ist mit Guess, Fee?«
    »Nichts, Guig. Nichts.«
    »Fee, er hat sich verändert, und wir beide wissen es. Warum?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Stehst du immer noch auf ihn?«
    »Ja.«
    »Ist er noch der alte?«
    »Manchmal.«
    »Und bei anderen Gelegenheiten?«
    Sie schüttelte langsam den Kopf.
    »Also, was ist passiert?«
    »Wie sollte ich es wissen?«
    »Deine Ohren, Fee. Du hörst, was kein anderer hören kann. Du hast gelauscht. Was hörst du?«
    »Er ist nicht verwanzt.«
    »Und du weichst mir aus.«
    »Ich liebe ihn, Guig.«
    »Und?«
    »Sei nicht eifersüchtig.«
    »Fee, ich liebe dich und will nur das Beste für dich. Du hast dich großartig herausgemacht, und ich bin sehr stolz, weil du meine einzige Tochter bist, mein einziges Kind. Du weißt sicherlich, daß die Mitglieder der Gruppe keine Kinder haben können. Das ist ein Preis, den wir bezahlen müssen.«
    Sie schluchzte plötzlich auf.
    »Ja, ich verstehe. Damit wirst du dich abfinden müssen. Aber sei jetzt vernünftig und konzentriere dich auf Sequoia. Was ist mit ihm geschehen?«
    Nach langer Pause flüsterte sie: »Wir müssen sehr leise sein, Guig.«
    »Ja? Warum?«
    »Wir sind jetzt sicher, weil er schläft.«
    »Sicher wovor?«
    »Paß auf. Als Lucy Borgia ihn im Extrocomputerkomplex tötete, wurde jede Nervenzelle im Gehirn isoliert.«
    »Aber sie bildeten neue Synapsen, und er wurde wieder lebendig.«
    Sie nickte. »Wie viele Gehirnzellen gibt es, Guig?«
    »Ich weiß nicht. Vielleicht hundert Milliarden.«
    »Und wie viele Informationsbits gibt es in einem Extrocomputer?«
    »Gleiche Antwort. Ich weiß es nicht. Aber ich vermute, daß diese Großanlagen Tausende von Milliarden haben.«
    Sie nickte wieder. »Ja. Nun, als er tot war, als alle Nervenzellen voneinander getrennt waren, drangen diese Bits in den Chef ein. Jede Gehirnzelle bekam ein Bit als Untermieter. Er ist der Extro, und der Extro ist der Chef. Das ist die andere Person oder das andere Ding, das wir durch ihn reden hören.«
    »Nicht leicht, sich das vorzustellen.«
    »Und jede andere elektronisch gesteuerte Maschine kann durch ihn zum Extro sprechen und durch ihn den Extro hören. Darum müssen wir vorsichtig sein. Sie haben ein Netz, und sie melden alles, was sie von uns auffangen. Vielleicht sogar, was wir denken.«
    »Sie melden es dem Extro?«
    »Ja.«
    »Durch Sequoia?«
    »Ja. Er ist wie eine Vermittlungszentrale für Ferngespräche.«
    »Bist du sicher?«
    »Eben nicht. Du mußt verstehen, Guig. Ich lebe in einem ständigen Kreuzfeuer von Sendungen. Ich höre, was im ganzen Spektrum vor sich geht. Manche Bänder kommen laut und klar herein, andere sind schwach und verzerrt. Was mit dem Chef vorgeht, kann ich nur stückweise auffangen und mir dann zusammenreimen. Eine Gewißheit gibt es nicht.«
    »Ich sehe. Du hast mir wie gewöhnlich sehr geholfen, Fee. Jetzt geh und kümmere dich um ihn. Ich muß eine Weile darüber nachdenken.«
    Das Problem war mir sofort klar: Wenn Fee recht hatte und der Extro tatsächlich von Guess Besitz ergriffen hatte und durch ihn alle anderen elektronischen Anlagen kontrollierte, was würde das Ergebnis dieser Zusammenarbeit, Symbiose oder parasitären Ausbeutung sein? Wer nährte sich von wem?

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