Der Computer und die Unsterblichen
unserem neuen Besitz hinauszufahren.
Wir nahmen sein Anerbieten dankend an, luden unser Gepäck in seinen Geländewagen und erwarteten die Dinge, die da kommen sollten.
Als wir an den Rio Sao Francisco kamen, mußten wir tatsächlich mit einer Wagenfähre übersetzen. »Hier beginnen Ihre Ländereien«, erklärte der Anwalt enthusiastisch, als wir ans andere Ufer kamen. Er bog nach links und fuhr eine ungeteerte, holperige Uferstraße entlang. Ich hielt nach einem Landhaus Ausschau. Nichts. Wir fuhren Kilometer um Kilometer. Nichts als Buschsavanne, in den Senken abgelöst von Sumpfwald. Ich nahm mir die Dokumente vor und zwinkerte verblüfft. Der Grieche hatte uns tausend Hektar Land geschenkt. Recht ansehnlich für ein Versteck, und ein Versteck war es, denn diese Flitterwochen waren, um die Wahrheit zu sagen, eine Flucht und sonst nichts.
Endlich fuhren wir eine lange Allee zum Landhaus hinauf, und ich war perplex. Ein riesiger, bröckelnder Bau im Kolonialstil, umgeben von allerlei Anbauten und landwirtschaftlichen Nebengebäuden erhob sich vor uns. Der Anwalt sah mein ungläubiges Staunen und klärte mich mit feinem Lächeln auf, daß das Hauptgebäude achtundsechzig Zimmer habe.
Das Personal stand aufgereiht vor dem Portal, alles Verbeugungen und Knickse, und es mußten an die hundert Leute sein. Natoma gab mir einen sanften Stoß, daß ich zuerst hingehen und sie als der neue Herr des Besitzes begrüßen solle, aber ich schob sie als die Herrin des Hauses vor, und sie machte ihre Sache genau richtig: anmutig und vornehm, freundlich, aber ohne Anbiederei. Wir brauchten eine Woche, um uns mit allen Räumlichkeiten bekanntzumachen, und ich mußte einen Lageplan zeichnen.
Nachdem wir uns eingerichtet hatten, begann eine schöne Zeit. Wir unternahmen Flußfahrten mit dem Motorboot und besuchten Kunstgalerien, Museen und die Oper in Barra. Wir machten Schaufensterbummel, bloß gab es keine Schaufenster. Die Waren waren offen ausgestellt, daß man sie befühlen und untersuchen konnte. Wenn einem etwas gefiel, trug man es hinein und bezahlte dafür. Alle Leute waren sorgfältig darauf bedacht, nicht gekaufte Ware genauso zurückzulegen wie sie zuvor gewesen war. Diese Leute waren von einer geradezu aufreizenden Ehrlichkeit.
Wir gingen auf die Jagd nach Schmetterlingen und Insekten, exotischen Pflanzen, fremdartigen Gräsern und Farnen, und ich mußte sie in der heißen Sonne ausgraben, während Natoma sie in Töpfe pflanzte. Bald hatte ich die Hautfarbe von Natoma, und als die Wochen dahingingen, konnte ich wieder an Fee 5 denken, ohne in dumpfe Verzweiflung zu versinken. Die Zeit und meine junge Frau heilten mich.
Aber sie war keine fügsame, demütige Natur. Sie hatte einen eigenen Willen und Verstand und ein beherrschtes, aber hitziges Temperament. Als sie ihre Sprachkenntnisse verwollkommnete, wurde das zunehmend deutlich. Wir hatten einige Szenen, und es gab Augenblicke, in denen ich wirklich glaubte, daß sie mir den Schädel gespalten hätte, wenn sie eine Streitaxt zur Hand gehabt hätte. Mein Gott, wie ich sie liebte und bewunderte!
Nach knapp drei Monaten stattete Boris Godunow uns einen überraschenden Besuch ab. Er kam mit einem Taxi von Barra, einen braunen Papierbeutel mit seinen Reiseutensilien unter dem Arm. Boris wiegt ungefähr drei Zentner: wuschelhaarig, blauäugig, strahlend. Von einem Russen seiner Größe und Körperfülle würde man eine Baßstimme erwarten, die die Erde zum Erzittern bringt, aber Boris hatte einen etwas heiseren Tenor. Ich war hocherfreut, ihn zu sehen, und er war von Natoma hingerissen.
»Wie lange ist es her, daß wir uns zuletzt gesehen haben, Boris?«
Er warf Natoma einen schnellen Blick zu.
»Alles klar«, sagte ich. »Meine Frau weiß Bescheid. Und was ich ihr nicht sage, rechnet sie sich selbst aus.«
»1918 in Kiew.«
»Richtig. Warst du nicht von den Weißgardisten gefangengenommen worden?«
»So war es, Guig. Es war kein Zuckerlecken. Während der deutschen Besetzung wurde ich dann exekutiert.«
»Und da lebst du noch?«
Er zuckte mit den dicken Schultern. »Hatte eben Glück. Aber der Schock war so schlimm, daß ich noch jahrelang Angst vor Lepcer hatte. Zum Glück bin ich bisher verschont geblieben.«
»Der bloße Gedanke macht mich schaudern, Boris. Reden wir lieber von etwas anderem. Wie hast du uns gefunden?«
»Ich bin mit Hillel in Verbindung, und er hatte vom Griechen erfahren, daß du hier bist. Es ist zur Zeit schwierig, jemanden zu
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