Der Computer und die Unsterblichen
Schnellkurs in der Kunst des Anschleichens. Als wir weiter vordrangen, bemerkte ich Lichtschein voraus, dann tiefes Brummen, und schließlich wieder die Musik – etwas wie Stimmengesumm.
Nicht ganz meine Vorstellung von der Musik des unvergessenen Peter Iljitsch Korruptskij (1940–2003). Als wir uns auf leisen Sohlen dem Lichtschein näherten, verbreiterte sich die Rue de la Capsule, und als wir die Lichtquelle sehen konnten, starrte ich in Verblüffung. Vor uns lag eine riesige Höhle mit den alten Natrium-Extraktionsapparaten, und in der Mitte ruhte die Kapsel, angeschlossen an dicke Starkstromkabel. Das tiefe Brummen ging von ihr aus. Sequoia hatte sich das ideale Versteck ausgesucht. Dann sahen wir seine drei summenden Babys.
Sie waren gigantisch, über zwei Meter groß, und sie waren Albinos. Ihr Körperbau war menschlich, aber die Gelenke hatten etwas Unheimliches an sich; die drei bewegten sich wie Insekten. Dann sah ich, daß sie blind waren. Ihr Gesumm hatte Orientierungsfunktion, ähnlich wie das Zirpen von Fledermäusen oder die Töne eines Echolots. Natürlich mußte ich mir ihre Genitalien genauer ansehen. Hillel hatte sich geirrt. Sie waren keine Hermaphroditen. Was sie hatten, sah wie faustgroße weiße Knospen aus, die sich in regelmäßigen Abständen zu Blüten öffneten und wieder schlossen.
Plötzlich fiel mir etwas ein. Als ich einmal mit M'bantu in Afrika gewesen war, hatten wir ein Öko-Schutzgebiet besucht. Dort hatte er, ohne sich um das Verbot zu scheren, den Rundwanderweg verlassen und einen rohen Lehmkegel mit Fußtritten umgeworfen. Im Inneren dieses Kegels hatte ich Tausende von aufgeschreckten Termiten herumwimmeln sehen. Sie waren weiß, sie waren blind, und M'bantu erzählte mir, daß sie sich durch Töne oberhalb des menschlichen Wahrnehmungsbereichs verständigten. Sequoias Babys waren Zweimetertermiten, aber man konnte sie hören.
Ich gab meinem Gefährten zu verstehen, daß ich allein weitergehen wollte. Er hielt nicht viel davon, aber in Zeichensprache kann man nicht gut streiten, man kann nur Feststellungen machen. Also ging ich weiter, während er zurückblieb. Die drei Lebewesen fühlten meine Nähe sofort und kamen zielsicher auf mich zu. Ich zog den Fleischbrenner aus dem Gürtel, aber sie wollten mir nichts zuleide tun; sie waren einfach voll Neugierde und Freude. Während ich nach Sequoia Ausschau hielt, untersuchten sie meinen Körper mit den Händen und plapperten in Musik.
Ich antwortete mit Scott Joplin, Korruptskij, Mozart und anderen; allen Melodien, die ich summen konnte. Sie waren begeistert und verlangten nach mehr. Ich tat ihnen den Gefallen, und für sie schien das Ganze die Wirkung von lustigen Geschichten zu haben, denn sie fielen vor Lachen übereinander. Sehr nette Termiten, beinahe liebenswert, wenn man sich an ihre Andersartigkeit gewöhnen konnte. Aber von Sequoia war noch immer nichts zu sehen. Ich schaute in die brummende Kapsel, umdrängt von meinen drei Fans. Niemand zu Hause. Ich schrie: »Guess! Sequoia! Komm 'raus!« Keine Antwort. Das Gebrüll ängstigte die drei Riesenbabys, und sie wichen zurück. Ich beruhigte sie mit ein paar Takten Penderecki, und sie kamen zurück, um sich tätscheln zu lassen. Wirklich reizend. Aber menschlich?
Ein leises Zischen kam von meinem Gefährten, und als ich mich umwandte, winkte er dringend. Ich machte mich von meinen Verehrern los und rannte zu ihm. Er machte das Zeichen für Lauschen. Ich lauschte und lauschte. Dann hörte ich das Geräusch eines näherkommenden Luftkissengleiters. Ich dachte an Hilly, der von der anderen Seite kommen sollte, nahm meinen Gefährten bei der Schulter, und wir rannten zum Haupttunnel.
Es war nicht Hilly, es war der Häuptling mit einem Luftkissengleiter voller Vorräte. Lange Lanze drückte sich in eine Wandnische und verschwand, während ich mit dem Brenner in der Hand in die Mitte des Tunnels trat und ihm den Weg versperrte. Guess hielt an und starrte verblüfft. Er hatte keine Besucher erwartet und erkannte mich nicht.
»Hallo«, sagte ich.
»Was? Wer?«
»Du siehst gut aus, Bruder.«
»Guig! Aber ...«
»Viele Grüße von Natoma. Und von Papa und Mama.«
»Und du?«
»Ich überlege nur, wie ich dich am besten umbringen kann.«
»Guig!« sagte er entsetzt.
»Ja. Du hast es verdient.«
»Warum willst du mich umbringen?«
»Warum hast du Fee umgebracht? Hatte sie dir etwas getan?«
Er blieb still und schüttelte den Kopf.
»Du weißt, daß sie dich
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