Der Consul
nicht gesagt?«
Die Karte. Sie lag im Wohnzimmer auf dem Tisch. In gewisser Hinsicht hatte sie es mir gesagt. »Und Sie arbeitet auch für Ihren Nachrichtendienst?«
Er zuckte mit den Schultern. »Wenn es so wäre, dürfte ich es Ihnen nicht sagen.«
»Und Leutbold?«
Er überlegte, dann sagte er: »Der ist wohl in Moskau.«
»Das ist keine Antwort auf meine Frage.«
»Doch, denken Sie darüber nach.«
»Ich hasse es, wenn Leute in Rätseln sprechen.«
»Ich auch, glauben Sie mir.«
»Was wissen Sie über die Mordserie?«
»Nichts. Ich habe erst gestaunt, als sie Olendorff beschatteten. Dann dachte ich mir, der Kommissar zieht an einem Zipfel, um zu schauen, was dranhängt. Immerhin, es ist aufschlussreich, Olendorff zeigt Nerven, sonst hätte er nicht diese Kurverei durch Berlin mit Ihnen veranstaltet. Und Sie auch nicht verprügeln lassen.« Er goss sich noch einen Weinbrand ein und nahm einen kleinen Schluck. »So, jetzt kann ich das Zeug trinken und mir einbilden, es wäre Cognac.« Er zog eine Zigarette aus meiner Schachtel und bot mir eine an. Er gab zuerst mir Feuer, dann sich. Wir rauchten eine Weile schweigend.
»Sie werden sich Olendorff vorknöpfen?«
Ich nickte.
»Sie werden das Haus durchsuchen, in dessen Keller Sie verprügelt wurden?«
Ich nickte.
»Sie werden Ärger kriegen mit Ihren Vorgesetzten. Olendorff ist ein dicker Fisch.«
Ich nickte.
»Sie werden mich unterrichten über Ihre Ermittlungen?«
Ich tippte an meine Stirn. »Ich bin Ihnen dankbar, Aschbühler, aber ich bin kein Verräter. Sie sind französischer Spion« - Aschbühler verzog sein Gesicht zu einer Grimasse, als schmerzte ihn meine Feststellung körperlich -, »und ich finde, es geht Sie nichts an, was ich ermittle. Und wenn ich es mir genauer überlege, dann sollte ich Sie gleich festnehmen.«
Aschbühler lachte. »Daran würde ich in Ihrem Zustand eher nicht denken. Außerdem, ich rechne nicht mit Ihrer Dankbarkeit, das ist ein vergängliches Gut. Ich baue darauf, dass Sie nicht ins Zuchthaus wollen. Überfall auf einen Oberreichsanwalt, das ist starker Tobak. Noch stärkerer Tobak ist, dass Sie Kommunisten aus der Untersuchungshaft befreit haben. Ihre neue Regierung arbeitet ja gerne mit Moskau zusammen, aber die Kommunisten im eigenen Land liebt sie nicht.«
»Sie sind ein Erpresser.« Sofia alias Selma hatte ihm alles erzählt, und nun hatte er mich in der Hand. Verflucht, Sofia, warum hast das getan?
»Nein, ich werde Sie nicht erpressen. Ich habe mit Selma ein Geschäft gemacht. Sie erzählt mir was über ihre Abenteuer in Deutschland - Selma als kommunistische Sympathisantin, wirklich eine witzige Geschichte. Aber sie hat sich ausbedungen, keine Erpressung. Sie können ganz sicher sein. Selma kennt mich seit vielen Jahren, sie weiß, ich halte mich an meine Zusagen. Trotzdem, es wäre schön, wir könnten eine Form der Zusammenarbeit finden, die Sie nicht zum Landesverräter macht und mir Informationen verschafft über diesen Olendorff. Und über die Leute, die Hitler umgebracht haben. Ich würde mich revanchieren mit Informationen, die ich erlange. Und vielleicht mit einer Einladung nach Straßburg.«
Ich war mir nicht sicher, ob es ein Trick war. Ob er mich auf raffinierte Weise doch erpresste. »Ich werde darüber nachdenken.«
»Schön.«
»Und wie erreiche ich Sie?«
Er zog ein Kärtchen aus der Tuchtasche seines Jacketts.
»Über Agence France Press, ist doch klar.« Er lachte.
Ich schaute auf die Uhr. »Ich muss telefonieren.« Ich quälte mich hoch. Aschbühler stützte mich am Arm. Ich schüttelte ihn ab. Dann wählte ich Wohlfelds Nummer. Eine Frauenstimme meldete sich: »Ja, bitte?« Mir fiel ein, ich hatte Wohlfelds Frau nie gesehen, seine Tochter auch nicht.
»Soetting, guten Morgen. Ist Ihr Gatte noch zu Hause?«
»Nein. Er ist unterwegs zum Wannsee«, sagte sie. Ich fluchte in mich hinein, verabschiedete mich und wählte die Nummer der Mordkommission. Wegner war da. Ich beauftragte ihn, zum Wannsee zu fahren und Wohlfeld zu holen. In zwei Stunden sei eine Dienstbesprechung, die Beschattung sei aufgehoben.
»Und Sie gehen jetzt besser«, sagte ich zu Aschbühler, nachdem ich aufgelegt hatte.
»Sie denken über meinen Vorschlag nach?«
»Gewiss«, sagte ich und wollte seinen Vorschlag möglichst rasch vergessen. Der Krieg war noch nicht lange genug zu Ende, um mit einem Franzosen einen Pakt zu schließen.
Als Aschbühler gegangen war, stellte ich den Wecker auf acht Uhr dreißig
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