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Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Zinzendorfstraße tauchten die Küche in ein mattes Licht. Ich ging an der Kommode und dem Telefon vorbei und öffnete die Tür des Schlafzimmers. Darin war es dunkel, ich sah nichts. Ich stieß gegen etwas, es schrammte über den Boden. Ich fasste es an, es war der Stuhl, der sonst neben dem Schrank an der Wand stand. Die Polizei hatte ihn wohl bei der Hausdurchsuchung verrückt. Ich stand still und wartete einige Minuten. Als ich nichts Auffälliges hörte, ging ich weiter. Ich bewegte mich am Bett entlang zum Nachttisch und öffnete die Schublade. Ich ertastete das Medaillon und steckte es ein. Ebenso Elsbeths Foto im Rahmen auf dem Nachttisch. Ich schlich zurück in den Flur.
    Dann klingelte das Telefon. Der Hörer schimmerte matt im fahlen Licht, das aus der Küche in den Flur fiel. Ich riss ihn von der Gabel und flüsterte: »Ja.« In dem Augenblick, da ich den Hörer in der Hand hielt, wusste ich, ich hatte einen Fehler gemacht.
    »Hier Brückner, Sie wollten mich sprechen.«
    Brückner, Brückner, verdammt, wer war das? Dann fiel es mir ein.
    »Morgen abend, sieben Uhr, Weinstuben Loebell, ich lese den Börsen-Courier.« Ich zischte es in den Hörer.
    »Kommen Sie unbedingt. Ich habe Ihnen etwas Wichtiges zu sagen.«
    Ich legte auf und ging zur Wohnungstür. Ich schaute durch den Türspion, das Licht im Treppenhaus war an. Du musst jetzt raus, sagte ich mir. Sofort! Ich öffnete die Tür und drückte sie leise wieder zu. Gegenüber klapperte der Türspion, die Tür von Fräulein Wiese öffnete sich einen Spalt. Ich ging mit schnellem Schritt, aber ohne zu rennen, die Treppe hinunter. Die Haustür war abgeschlossen, ich entsperrte sie und sah hinaus. Nichts zu entdecken. Dann hörte ich das Hupen. Ich rannte die Straße hinunter Richtung S-Bahnhof Beusselstraße. Im Laufen drehte ich mich kurz um und sah den Wagen vor der Haustür halten. Drei Männer stiegen aus, in dem einen glaubte ich Wohlfeld zu erkennen. Ich verschwand in einer Seitenstraße und bog in der nächsten wieder ab. Vor mir Scheinwerfer. Ich sprang in einen Vorgarten und warf mich hinter eine Hecke. Ein Lastwagen raste vorbei, SA-Leute auf der Ladefläche. Ich stand auf und klopfte den Dreck von der Kleidung.
    Jetzt begann die Hatz. Sie würden das ganze Viertel durchkämmen und die Bahnhöfe überwachen. Hinter dem S-Bahnhof war ein Taxistand. Mit ein bisschen Glück kriegte ich eins. Die Taxifahrer waren bestimmt noch nicht benachrichtigt. Als ich mich dem Stand näherte, sah ich einen Schupo, der mit den Taxifahrern sprach. Er verteilte Zettel, Fahndungsaufrufe. Nur Fräulein Wiese hatte mich mit gefärbten Haaren und Schnauzer gesehen. Ich riss den Bart ab und steckte ihn in die Jackettasche. Dann umging ich den Bahnhof in Richtung der Strafanstalt Plötzensee. Ich schaute mich oft um, sah aber niemanden, der mir gefährlich werden konnte. Es waren nur wenig Passanten unterwegs. Ich ging am Gefängnis vorbei.
    Da fiel mir Fleischer ein. Wie kam ich zu seiner Wohnung, ohne aufzufallen? Und war er zu Hause? Im S-Bahnhof Beusselstraße gab es ein Telefon, aber ich traute mich nicht, den Bahnhof zu betreten. Ich überquerte den Kanal und ging auf den Friedhof, in den der Plötzensee hineinragte. Dann lief ich weiter in Richtung Reinickendorf. Ich drehte mich immer wieder um, aber es war nichts Verdächtiges zu sehen. Sie würden die Bahnhöfe überwachen, die Streifen unterrichten, vielleicht sogar verstärken, in Straßenbahnen, Bussen kontrollieren, die Taxifahrer zur Wachsamkeit anhalten. Aber das war nicht einfach. Viele Taxifahrer waren nicht im Dienst oder unterwegs, wenn die Schupos an den Ständen erschienen. Ein Taxi, jetzt schnell ein Taxi. Ich war bereit, alles auf eine Karte zu setzen. Wenn ich bald ein Taxi fand, war die Gefahr nicht groß. Aber ich durfte keines nehmen, das aus der Stadt kam. Ich lief auf der linken Straßenseite weiter, nach Reinickendorf war es nicht weit. Die Straßenlaternen waren hell genug, um die Autos zu erkennen, die mir entgegenfuhren. Aber es kam kein Taxi.
    Glücklicherweise kannte ich mich aus in der Gegend. In einem großen Bogen lief ich zur Levetzowstraße. Einmal musste ich einer Streife ausweichen. Am Eckhaus in der Jagowstraße sah ich die Haustür, hinter der ich gerettet wäre. Ich wusste, an der Haustür war eine Klingel angebracht, um im Notfall den Doktor rufen zu können. Aber nicht nur Fleischer würde das Klingeln hören.
    Als ich niemanden in den Straßen sah, ging ich schnellen

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