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Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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ermordet, Röhm in Berlin. Vielleicht hat der Mord in Weimar die Berliner Täter ermuntert, das hat es schon gegeben. Aber dann müssen sie ganz schnell zugeschlagen haben.« Ich schaute zu dem Mann mit der Zeitung, der hatte umgeblättert. »Aber Bürgerkrieg? Warum?«
    »Ich habe auch schon daran gedacht«, sagte Wohlfeld.
    Mir fielen die Schießereien nach dem Krieg ein, Spartakusrevolte, Kapp-Putsch, Mansfelder Revier, Ruhrbesetzung, Hamburger Aufstand. Ich hatte eine Zeitlang gedacht, die Zeit der Aufregung sei vorbei, aber dann begannen die Straßenschlachten und Schießereien von neuem. Und jetzt ein Bürgerkrieg?
    »Manche munkeln, die Nazipartei falle auseinander. Strasser geht mit den Kommunisten und den sogenannten Nationalbolschewisten. Sie wollen das Versailler System zerschlagen und die bürgerliche Gesellschaft. Göring geht mit den Deutschnationalen und der Reichswehr zusammen. Sie wollen das Versailler System zerschlagen und den Kronprinzen zurückholen. Sozis, Zentrum und der Rest werden zerrieben, fransen aus. Es gibt in der SPD Leute, die eher mit der Reichswehr marschieren, und Leute, die sich für neutral erklären und es für besonders raffiniert halten zu warten, bis die feindlichen Parteien sich gegenseitig geschwächt haben, woraufhin die SPD endlich den Sozialismus ausrufen kann, nachdem sie das 1918 vergessen hat.«
    Ich hatte Wohlfeld unterschätzt, solches politisches Wissen und solchen Sarkasmus hatte ich ihm nicht zugetraut. Er sagte nicht viel, aber was er sagte, war gescheit. Von Politik verstand er mehr als ich.
    Der Kaffee schmeckte bitter, er bestand wahrscheinlich nicht nur aus Kaffeebohnen. Der Mann mit dem Malzbier nahm einen Schluck, er teilte sich sein Glas ein. Ich schaute auf die Uhr, es war fast zehn, ich rief den Wirt und zahlte für uns beide. Wohlfeld fuhr mich nach Hause.
    *
    In der Nacht überlagerten sich die Bilder von Elsbeth und Sofia. Und doch hatte ich am Morgen das Gefühl, keine Minute geschlafen zu haben. Vor dem Präsidium warteten Reporter und Fotografen. »Herr Soetting, Herr Soetting!« Sie bedrängten mich. Mit den Ellbogen bahnte ich mir schweigend meinen Weg.
    Oben stand Elisabeth Wuttke, meine Sekretärin, in der Tür, sie war aufgeregt. »Sie müssen in die Wilhelmstraße 74, Hinterhaus, erste Treppe«, sagte sie. »Der Herr Polizeipräsident ist schon unterwegs. Ihr Termin beim Herrn Präsidenten wurde abgesagt.«
    »Etwa zum Reichskanzler?« fragte Wohlfeld.
    »Ich glaube, der Herr Reichswehrminister ist auch dabei«,
    sagte sie. Es klang so, als wäre es selbstverständlich, in die Dienstwohnung des Reichskanzlers eingeladen zu werden.
    Wohlfeld brauchte keine zehn Minuten, um mich hinzufahren. Unterwegs erklärte ich ihm noch einmal meine Idee, eine Leichenattrappe die Spree hinuntertreiben zu lassen. Wenn wir eine Ahnung hatten, wo Röhms Leiche ins Wasser geworfen worden war, konnten wir die Umgebung absuchen. Vielleicht fanden wir eine Werkstatt oder einen Keller, wo ein Kabel in Öl gelegen haben konnte. Während ich beim Reichskanzler war, sollte Wohlfeld zusammen mit dem Rechtsmediziner den Versuch vorbereiten.
    Ich musste einen kleinen Lichthof durchqueren, um die Eingangstür zu erreichen. Eine breite Marmortreppe führte in das erste Stockwerk. Neben einer Glastür mit Jugendstilverzierungen entdeckte ich eine Klingel. Es öffnete ein livrierter Diener. Er führte mich durch einen geräumigen Flur zu einer Tür, klopfte an und öffnete sie, nachdem von innen ein »Herein!« ertönt war. Es war ein eleganter Salon. Ich erkannte Reichskanzler von Papen, Reichswehrminister von Schleicher, Rickmer und, ich musste zweimal hinschauen, Kurt Rübezahl in der Uniform eines Hauptmanns. Die Herren saßen in schweren roten Sesseln um einen Tisch, darauf zwei Kannen, Zuckerdose und Tassen aus rosa verziertem Porzellan. »Wir haben schon gewartet«, sagte Papen unfreundlich und wies auf einen freien Stuhl. Schleicher, der mit dem Rücken zur Tür saß, drehte den Kopf und musterte mich mit wachen Augen, die wohl freundlich blicken sollten. Sein Gesicht war maskenhaft. Rübezahl grinste mich an, Rickmer nickte.
    »Der Herr Hauptmann hat uns schon berichtet, Sie waren mit ihm im Feld, von Anfang an. EK eins, nicht schlecht, Herr Kommissar«, sagte Papen.
    Ich dachte an die Angst, die mich seitdem nicht mehr losließ.
    Schleicher blickte mich aufmerksam an. Er lächelte freundlich, aber ich sah, er war unruhig. »Wir haben die Tommys ein bisschen

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