Der Consul
geärgert«, sagte Rübezahl.
»Der Hauptmann Rübezahl ist bei mir zuständig für die Arbeit mit der Presse«, sagte Schleicher. »Den Herrn Oberleutnant kennen Sie bereits, er ist mein Adjutant für, sagen wir mal, besondere Aufgaben. Er hat mir von Ihren Schwierigkeiten mit den Erfurtern berichtet.«
Papen schaute Schleicher unfreundlich an. Wohlfeld hatte mir ein paar Tage vor unserer Fahrt nach Erfurt beim Leichenbeschauer erzählt, Papen sei ein Günstling Hindenburgs und der wiederum als Oberbefehlshaber der Reichswehr Vorgesetzter Schleichers. Papen komme zwar aus dem Zentrum, sei aber inzwischen ausgetreten und ein sturer Rechter, Schleicher dagegen setze auf ein Bündnis aus Gewerkschaften, SPD und gemäßigten Nazis um Gregor Strasser.
»Sie kennen die Lage, Herr Kommissar?« fragte Papen.
Ich schüttelte den Kopf. Ich hatte keine Ahnung, was er meinte.
»Wir haben den Herrn Polizeipräsidenten und Sie hierhergebeten, weil wir am Abgrund stehen. Wir brauchen Informationen aus erster Hand. Leider ist es dem Polizeipräsidenten bisher nicht gelungen, hier zu erscheinen. Ganz im Gegensatz zu Ihnen. Die Lage ist gefährlicher als alles, was wir vorher erlebt haben. Im Wedding, in Essen, Leipzig und anderen Städten hat die Kommune ihren Rotfrontkämpferbund auf die Straße geschickt. In Kiel und Nürnberg hat es Schießereien zwischen SA und der Kommune gegeben. In Dortmund und Mannheim haben Rotfront-Leute und SA-Stürme gemeinsam, Sie hören richtig: gemeinsam, Stahlhelmversammlungen gesprengt. In Breslau sollen Nazis ins Stadtgefängnis eingedrungen sein und einsitzende Kommunisten erschossen haben.«
Es traf mich wie ein Schlag. Sofia Schmoll saß als Kommunistin im Erfurter Untersuchungsgefängnis. Und dort waren die Nazis am Drücker.
»Strasser soll nach unbestätigten Meldungen mit Torgler verhandeln, dem Fraktionsvorsitzenden der KPD im Reichstag. Thälmann fabuliert von einer nationalen und sozialen Befreiung und erklärt, es sei nun die Zeit, das Versailler Diktat und die Republik zu beseitigen. Diese Informationen sollten fürs erste reichen, um Ihnen klarzumachen, es droht das Chaos, der Bürgerkrieg, der Untergang des Reichs. Kein Mensch überblickt die Fronten. Hier Kommunisten und Nazis gegeneinander, dort zusammen. Woanders verbünden sich Nazis mit nationalen Kräften und wieder woanders gehen Nazis auf den Stahlhelm los. Nicht wahr, Herr General?« Er schaute Schleicher böse an.
Schleicher lächelte, als hätte er Papens Zorn nicht bemerkt. »Die Reichswehr folgt den Befehlen des Herrn Reichspräsidenten. Solange der Herr Reichspräsident nichts anderes befiehlt, werden wir Soldaten Gewehr bei Fuß stehen und uns auf den Selbstschutz beschränken.«
»Und mit Göring, Hugenberg und Kameraden ohne Auftrag des Herrn Reichspräsidenten über eine Militärdiktatur verhandeln«, sagte Papen bissig.
»Das muss ich zurückweisen, Herr Reichskanzler«, sagte Schleicher fast belustigt.
Papen lehnte sich zurück, er sah müde aus, seine Augen wanderten nervös durch den Raum. Er war schmächtiger, als ich ihn mir vorgestellt hatte. Offenbar wurde ich Zeuge der Nachwehen eines Streits zwischen Papen und Schleicher. »Kommen wir zu Ihnen, Herr Kommissar. Sie waren in Weimar. Und Sie haben heute morgen Röhm aus der Spree gefischt. Wie ist der Stand der Ermittlungen?«
Es klopfte an der Tür. Papen rief: »Herein!« Melcher trat ein. Er sah abgehetzt aus. »Ich bitte um Verzeihung, Herr Reichskanzler, wir mussten einen Umweg fahren. Barrikaden. Kommunisten, bewaffnet. Sie wollten sich an mir vergreifen. In letzter Minute ...«
Papen starrte ihn einen Augenblick an, dann wies er auf das Sofa. Melcher setzte sich. Papen zwinkerte hektisch mit den Augen, schaute einmal im Kreis herum, als müsste er sich versichern, dass er und wir wirklich in diesem Zimmer saßen. Dann wandte er sich wieder mir zu.
Ich berichtete knapp. Im Fall Röhm stünden wir am Anfang und hätten noch keine Spuren. Im Fall Hitler sei die Erfurter Polizei überzeugt, die Täter verhaftet zu haben.
Papen nickte. »Das hat der Ministerpräsident Sauckel auch gesagt. Was spricht dagegen, Herr Kommissar?«
»Dass es keine Beweise gibt.«
»Wer kommt Ihrer Meinung nach als Täter in Frage?«
»Das weiß ich nicht, Herr Reichskanzler. Neben den Genannten alle Hotelgäste, Hitlers Begleiter und seine Besucher. Wenn man bedenkt, dass der Nachtportier mit Sicherheit nicht jede Minute an der Rezeption war, kann man den
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