Der Countdown
sehr.
Als er vor dem Haus parkte, hielt er nach Hunden Ausschau und lauschte, ob er das verräterische Klingeln eines Halsbandes oder das Rasseln einer Kette hören konnte, bevor er ausstieg.
“Hallo!”
Nichts. Er pfiff. Noch immer kein Hund in Sicht.
Das Gras unter seinen Füßen war zu einem erdigen Pfad getrampelt, der zu einem gelben Bungalow mit weißem Gebälk führte. An den Fenstern waren Blumenkästen angebracht. Die rot karierten Vorhänge bewegten sich nicht, als er zur Seitentür ging und klopfte.
Keine Antwort. Nichts, außer dem Wind, der über das Grasland strich.
Er klopfte erneut und lauschte auf Geräusche. Presste sein Ohr gegen die Tür. Jetzt konnte er ein leichtes Brummen hören.
Das Gemurmel einer Unterhaltung.
Er klopfte weiter, bekam aber keine Antwort. Das wunderte ihn, denn er hörte deutlich Menschen sprechen.
“Hallo!”
Er ging um das Haus herum, wo Flügeltüren auf eine Terrasse führten. Sie standen offen und erlaubten bei jedem Windstoß, der die Vorhänge zur Seite wehte, einen Blick in das, was Graham für das Wohnzimmer hielt.
Er hörte Menschen, die sich in dem Haus unterhielten.
Graham presste sein Gesicht an das Fliegengitter und rief ins Haus hinein.
Keine Antwort.
Der Präriewind trug das entfernte Dröhnen der Hubschrauber über die Ebene, während er in das Haus lugte. Seine Augen brauchten einen Moment, um sich an das Dämmerlicht innen zu gewöhnen. Durch das Wohnzimmer konnte er im Flur eine Tür erkennen.
Sie stand halb offen.
Weit genug, um einen Arm zu erkennen, der über eine Bettkante hing.
“Hallo! Ich bin Corporal Graham von der Royal Canadian Mounted Police. Ich möchte das Wohlergehen von Logan Conlin oder Logan Russel überprüfen. Jake, Burt? Können Sie mich hören? Kann mich irgendjemand hören?”
Der Arm bewegte sich nicht.
Jemand, der schläft? Ohnmächtig ist? Verletzt?
Ein neues Geräusch.
Irgendwo im Haus klingelte ein Telefon. Sechs Mal, dann hörte es auf. Die Person im Bett bewegte sich nicht.
Unter diesen Umständen musste Graham davon ausgehen, dass es um Leben und Tod ging. Er trat das Fliegengitter ein und betrat das Haus durch die Terrassentür. Weil er wusste, dass man ihn leicht für einen Einbrecher halten konnte, identifizierte er sich laut, während er mit geschärften Sinnen voranging.
Der erste Raum war ein Wohnzimmer, in dem sich niemand aufhielt.
Daneben befand sich die Küche.
Grahams Blick überflog rasch die Situation. Der Küchentisch war aufgeräumt und sauber. Ebenso die Arbeitsfläche. Er sah Briefe, Rechnungen, alles adressiert an Burt Russell. Graham ging an dem leeren Wohnzimmer vorbei, ein Schreibtisch, ein Laptop, der Fernseher – die Quelle der Geräusche. Die Live-Übertragung vom Papstbesuch. Bevor er das Schlafzimmer betrat, verschaffte er sich einen raschen Überblick über die anderen Zimmer, wobei er sich wieder laut identifizierte.
Auch im Badezimmer hielt sich niemand auf.
Das nächstgelegene Schlafzimmer war, bis auf Pappkartons und eine an die Wand gelehnte Matratze, ebenfalls leer.
Im Schlafzimmer dahinter befand sich ebenfalls niemand, und doch hielt er hier inne.
Überall lag Kleidung verstreut, kleine Jeans, ein T-Shirt. Neben dem Bett stand ein gerahmtes Foto von Jake und Logan Conlin vor einem Sattelschlepper, mit den Rockies im Hintergrund. Jake war glatzköpfig und trug einen Bart – er war Burt Russell.
Als Graham zu dem anderen Schlafzimmer ging, ertönte eine weibliche Stimme aus dem Fernseher. Graham war völlig auf das Schlafzimmer konzentriert, sodass er den entfernten Monolog gar nicht erfasste: “…
Ich heiße Samara. Ich bin keine Dschihad-Kämpferin …“
76. KAPITEL
M esseplatz von Lone Tree County, Montana
Als der Helikopter des Papstes zur Landung ansetzte, rückte Cold Butte ins Blickfeld der Passagiere.
Unter ihnen hatte der Verkehr die Gemeinde quasi überschwemmt. Walker und die anderen bestaunten den Schauplatz der bevorstehenden Messe in den Buffalo Breaks hinter der Schule.
Man hatte ein dreißig Meter hohes Kreuz über der Bühne errichtet, das direkt hinter dem Altar stand. Die Bühne war in eine Talsenke gebaut, die eine Art natürliche Schale bildete. Walker hatte den Ort mehrere Male besucht, als er noch menschenleer gewesen war, um Aussichtspunkte und Erhebungen zu kontrollieren.
Nun waren dort über hunderttausend Menschen versammelt, die auf den Papst warteten. Ihm wurde flau im Magen, als der Hubschrauber an Höhe verlor und zur
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