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Der Courier des Czar

Der Courier des Czar

Titel: Der Courier des Czar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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betheuerte Michael Strogoff.
    – Nun komm, steig auf, blindes Väterchen. Hinten im Wagen mag Deine Schwester neben Dir sitzen; ich werde davor Platz finden, um das Pferd zu führen. Im Wagen liegt schöne Birkenrinde und Gerstenstroh – es ist wie ein warmes Nest darin. Allons, Sersko, mach Platz!«
    Der Hund sprang, ohne sich bitten zu lassen, herab. Er war von sibirischer Race mit grauem Fell, von mittlerer Größe, mit großem, gutmüthigem Kopfe und schien sehr an seinem Herrn zu hängen.
    Michael Strogoff und Nadia richteten sich schnell in der Kibitka ein. Michael Strogoff hatte die Hände ausgestreckt, um die Nikolaus Pigassof’s zu suchen.
    »Meine Hand willst Du drücken, Väterchen? sagte Nikolaus. Hier ist sie! Drücke sie, soviel es Dir Vergnügen macht.«
    Die Kibitka setzte sich wieder in Bewegung. Das Pferd, welches Nikolaus Pigassof nie mit der Peitsche antrieb, war ein Paßgänger. Wenn Michael Strogoff auch an Schnelligkeit nicht viel gewann, so blieben ihm und Nadia doch weitere Körperanstrengungen erspart.
    Die Erschöpfung des jungen Mädchens war auch so groß, daß es, geschaukelt von dem gleichmäßigen Schwanken der Kibitka, bald in tiefen, fast todtenähnlichen Schlaf verfiel. Michael Strogoff und Nikolaus Pigassos betteten die müde Schläferin so gut es ging auf Birkenlaub und Stroh. Der mitleidige junge Mann war innig bewegt, und wenn sich aus Michael Strogoff’s Lidern keine Thräne drängte, so lag es daran, daß das glühende Eisen deren Quelle versiegen gemacht hatte.
    »Es ist ein nettes Mädchen, sagte Nikolaus.
    – O ja, erwiderte Michael Strogoff.
    – Die Püppchen wollen immer stark sein, Väterchen, immer muthig, und im Grunde sind sie doch nur schwach. – Kommt Ihr von weit her?
    – Von sehr weit.
    – Arme Leutchen, – das mußte Dir sehr weh thun, als sie Deine Augen verbrannten.
    – Ja gewiß, erwiderte Michael Strogoff sich umwendend, als hätte er Nikolaus sehen können.
    – Und Du weintest dabei nicht?
    – Doch.
    – O, ich hätte wohl auch geweint. Zu denken, daß man seine Lieben niemals wiedersehen soll! Aber sie können Euch doch sehen, darin liegt ja wenigstens ein Trost.
    – Ja, vielleicht. – Sage mir, Freund, fragte Michael Strogoff, solltest Du mich noch niemals gesehen haben?
    – Dich, Väterchen? Daß ich nicht wüßte.
    – Mir kommt der Ton Deiner Stimme so bekannt vor.
    – Sieh da! versetzte Nikolaus lächelnd. Er kennt den Klang meiner Stimme. Du fragst mich das vielleicht, um zu erfahren, woher ich komme. O, das will ich Dir sagen. Ich komme von Kolyvan.
    – Von Kolyvan? wiederholte Michael Strogoff. Dann bin ich Dir aber doch begegnet. Du warst dort im Telegraphenamte?
    – Das trifft, bestätigte Nikolaus. Ich wohnte daselbst als Beamter.
    – Und bliebst dort bis zum letzten Augenblick?
    – Nun, ich war wohl verpflichtet, bis zum Aeußersten auszuharren.
    – Das geschah an dem Tage, da ein Engländer und ein Franzose, die Hände voller Rubelstücke, sich um den Platz an Deinem Schalter stritten und der Engländer die ersten Verse der Bibel abtelegraphiren ließ?
    – Das mag sein, Väterchen, doch ich entsinne mich dessen nicht.
    – Wie? Daran erinnerst Du Dich nicht?
    – Ich lese die abzusendenden Depeschen niemals. Es ist meine Pflicht, sie zu vergessen, und das Kürzeste, gar keine Kenntniß von ihnen zu nehmen.«
    Diese Antwort schloß Michael Strogoff den Mund.
    Inzwischen bewegte sich die Kibitka in ihrem mäßigen Tempo weiter, das Michael Strogoff so gern etwas beschleunigt hätte. Doch Nikolaus und sein Pferd erschienen an jenes so gewöhnt, daß weder der Eine noch das Andere je davon abgingen. Drei Stunden lang zog das Pferd in gleichem Schritte weiter, dann ruhte es während einer Stunde, – und das Tag und Nacht. An den Haltestellen weidete das Thier und die Insassen der Kibitka nahmen in Gesellschaft des treuen Sersko einen Imbiß ein. Die Kibitka war mindestens für zwanzig Personen verproviantirt, und Nikolaus stellte opferwillig seine Vorräthe den beiden Gästen, die er für Bruder und Schwester hielt, zur Verfügung.
    Nach eintägiger Ruhe gewann Nadia ihre Kräfte so ziemlich wieder. Nikolaus sorgte nach Kräften für ihr Wohlergehen. Die Reise ging, wenn auch langsam, doch regelmäßig und unter ganz leidlichen Verhältnissen von statten. Es kam auch vor, daß Nikolaus während der Nacht, die Zügel in den Händen, einschlief, wobei sein ungestörtes Schnarchen ein beredtes Zeugniß für sein ruhiges Gewissen

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