Der Dämon aus dem grünen See
fragte sie.
Doch sie war allein in der Küche. Offenbar hatte er ein Mal auf sie gehört und war gegangen. Neben der Tür stand ihre Reisetasche, und bis auf das unregelmäßige Gurgeln war es in der Küche völlig still.
Cassie stand auf, riss ein Stück von der Küchenrolle ab und putzte sich kräftig die Nase. Als sie den Spülenschrank aufmachte, um das Tuch wegzuwerfen, hörte sie das Geräusch wieder – und gleichzeitig quoll eine dicke braune Brühe aus dem Abfluss in die Spüle.
„Igitt, das ist ja eklig“, murmelte sie und drehte den Wasserhahn auf, um die Sauerei aus dem Becken zu spülen. Zum Glück lief das Wasser tadellos ab.
„Na also, geht doch.“ Vorsichtshalber drückte sie den Gummistopfen auf den Abfluss, bevor sie zu ihrer Tasche ging und ihr Handy aus einem Seitenfach zog. Jetzt hatte sie endlich mal einen Beweis für Marcs Lügen. Es konnte nicht schaden, wenn Linda davon erfuhr.
Linda nahm sofort ab.
„Hi, Süße, wie ist es gelaufen?“, fragte sie besorgt.
„Ich bin kurz vorm Platzen“, erwiderte Cassie. „Stell dir vor, Mom und Pete sind überhaupt nicht da. Von wegen ‚sie machen sich Sorgen‘. Sie sind seelenruhig nach Hawaii gejettet.“
„Aber Marc hat doch gesagt …“
„Das versuche ich ja allen die ganze Zeit zu erklären. Er übertreibt gern mal ein bisschen, wenn er damit seine Ziele erreicht.“
„Na, zum Glück habe ich noch nicht ausgepackt. Dann können wir ja gleich wieder losfahren, oder?“
Suchend schaute Cassie sich in der Küche um. „Theoretisch ja. Ich habe Marc kräftig die Meinung gesagt, und jetzt ist er weg. Aber ich sehe meinen Autoschlüssel nirgends. Ich bin mir ganz sicher, dass ich ihn mit reingenommen habe, aber jetzt ist er nicht mehr hier.“
Mit der freien Hand durchwühlte sie ihre Tasche, sah auf dem Stuhl und auf dem Boden nach.
„Weit kann er ja nicht sein“, tröstete Linda. „Du warst ziemlich sauer. Vielleicht hast du ihn im Eifer des Gefechts …“
„Ich weiß genau, wo er war, und ich kann dir auch sagen, wo er jetzt ist“, unterbrach Cassie sie aufgebracht. „Marc hat ihn mitgenommen, dieser Mistkerl.“
„Das kann er doch nicht machen.“
„Macht er aber. Hat er gemacht.“
Wütend trommelte Cassie mit den Fingern auf der Arbeitsplatte rum – und prallte mit einem Aufschrei zurück, als der Stopfen im Ausguss mit einem satten Plopp in die Luft flog und eine Schlammfontäne aus dem Abfluss quoll.
„Cassie! Was ist passiert?“
„Nichts“, gab Cassie genervt zu. „Ich habe mich nur erschreckt. Hier stimmt irgendwas mit dem Abfluss nicht.“
„Bei dir auch? Hier gab es in der Küche vorhin eine totale Sauerei. Mom hat schon bei drei Klempnern angerufen, aber die waren alle unterwegs zu anderen Notfällen.“
„Na toll. Pass auf, ich bringe das hier eben in Ordnung, so gut es geht, und dann komme ich zu dir, okay? Ich muss hier raus, sonst passiert ein Unglück, wenn Marc wiederkommt.“
„Ja klar, komm rüber. Hast du schon was gegessen? Mom hat Lasagne gemacht.“
„Klingt gut“, sagte Cassie halbherzig. Wenn sie die braune Brühe in der Spüle betrachtete, verging ihr der Appetit. „Also bis gleich!“
Wieder ließ sie frisches Wasser aus dem Hahn laufen, um die Spüle sauber zu machen, und steckte den Stopfen fest. Dann stellte sie den größten Topf, den sie im Schrank finden konnte, in das Spülbecken und ließ ihn voll Wasser laufen. Das zusätzliche Gewicht würde den Stopfen hoffentlich unten halten.
Sie schob die Wasserflasche mit dem Rest Seewasser in ihre Umhängetasche, schnappte sich beim Rausgehen ihre Reisetasche und verließ das Haus. Draußen schaute sie noch mal in den Pick-up, ob sie den Schlüssel vielleicht doch hatte stecken lassen, aber so viel Glück hatte sie natürlich nicht.
Dann fahren wir eben mit dem Zug, dachte sie trotzig. Irgendwie würde sie nach Tahoe zurückkommen, um David zu sagen, dass er frei war. Aber vielleicht spürte er das ja auch? Vielleicht war er schon auf dem Weg hierher?
Kurz zögerte sie, während sie sich überlegte, ob das sein könnte. Doch dann ging sie entschlossen weiter. Auf dem Aufkleber auf ihrem iPod, den David jetzt hatte, stand nicht nur ihre Adresse, sondern auch ihre Handynummer. Er würde anrufen, wenn er den See verlassen konnte. Und dann würde sie ihn abholen, egal, wo er gerade war.
David wartete, bis Cassie und Marc außer Sichtweite waren. Dann nahm er Cassies wasserdichten Beutel an sich. Eine ungewöhnliche
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