Der Dämonen-Turm Traumtor-Trilogie Band I (German Edition)
vergaßen die beiden die Nähe des Schreckens und die tödliche Gefahr, die auf sie lauerte, und für eine kleine Weile war auch der Stimme Skoras der Zugang zu Targils Herz versperrt.
Doch dann verflog der Zauber, der die beiden Liebenden für einige Momente des Glücks vor der Welt geschützt hatte, und die bösen Kräfte des Turms von Sku-Ul gewannen wieder die Oberhand.
Targil schob Deina ein wenig von sich ab, so dass er ihr in die Augen sehen konnte.
„Hör mir zu, Deina!“ sagte er, und in seiner Stimme lag die Bitterkeit der Erkenntnis. „Auch wenn du mich liebst – oder gerade deshalb – musst du tun, um was ich dich bat. Wenn du mir unsägliche Qual ersparen willst, wenn du nicht schuld sein willst, dass meine Seele gefoltert wird, dann musst du mir den Tod geben, wenn du merkst, dass ich nicht mehr entkommen kann. Bitte, Deina, im Angesicht dessen, was mir bevorsteht, kann der Tod für mich nur Erlösung sein. Und vielleicht gibt dir gerade mein Tod die Kraft, den Schrecken zu überwinden. Willst du mir versprechen, dass du nicht zögern wirst, wenn die Zeit gekommen ist? Ich flehe dich an, versage nicht!“
„Oh, Targil! Gibt es denn gar keinen anderen Ausweg?“ weinte Deina hilflos. „Wie kann ich den Mann töten, den ich liebe?“
„Nein, Deina, es gibt keine andere Wahl!“ sagte Targil gefasst.
„Aber wenn es mir gelingt, Skora zu vernichten?“ warf Deina ein. „Dann wärest du frei!“
„Wenn du mich nicht tötest, bevor ich in Ihre Hände falle, wird sie sofort beginnen, mich zu quälen. Ich ahne, dass sie weiß, weswegen ich gekommen bin, und sie wird es mich fühlen lassen. Und wenn sie merken sollte, dass ihr tatsächlich Gefahr droht, wird sie mich auf die grausamste Weise umbringen. Willst du das?“
„Nein, nein, natürlich nicht!“ Deina war völlig verzweifelt. Sollte Targil denn wirklich von ihrer Hand sterben müssen? Aber tief in ihrem Herzen wusste sie, dass sie es tun musste, dass sie ihn töten musste, um ihm Qualen zu ersparen, die sogar einem so mutigen Mann wie ihm den Angstschweiß auf die Stirn zu treiben vermochten.
In dieser Nacht lagen sich eng aneinander geschmiegt, doch keiner von ihnen fand Schlaf. Unheimliche Geräusche, gedämpfte Schreie und Stöhnen drangen vom entfernten Moor zu ihnen herüber und jagten Deina Schauer auf Schauer über den Rücken. Sie klammerte sich fest an den gefesselten Targil, doch sie fand keinen Trost in der Nähe des Geliebten. Wie ein drohendes Schwert hing das Wissen um seinen baldigen Tod erbarmungslos über ihr.
Targil lag still. In der Dunkelheit lauschte Deina auf seinen leisen, ruhigen Atem. Ihn schienen die Geräusche aus den Sümpfen nicht zu schrecken. Wie sollten sie auch! Hatte er nicht weit schlimmeres Entsetzen spüren müssen?
Doch mit einmal bäumte sich Targil in seinen Fesseln auf. Keuchend begann er an den Riemen zu zerren.
„Sie ruft mich, Deina, sie ruft mich!“ stöhnte er. „Halt mich fest, sprich zu mir, mein Liebling, damit deine Stimme die ihre vertreibt!“
„Oh, Targil! Nein, höre nicht auf sie!“ Deina warf sich über ihn. Sie bedeckte sein Gesicht mit Küssen und murmelte sinnlose, törichte Worte, in denen ihre ganze Liebe lag und ihre Angst, die sie um Targil ausstand.
Targils Kampf gegen die Fesseln wurde schwächer. Dann seufzte er tief auf und sein Körper entspannte sich. Mit einem Tuch trocknete Deina ihm das schweißbedeckte Gesicht und die Brust.
„Ich höre sie nicht mehr“, sagte er plötzlich. „Sie ruft nicht mehr! Warum ruft sie nicht mehr?“ Abrupt setzte er sich auf, und im Schein des Mondlichts sah Deina, dass seine Augen einen irren Glanz hatten. „Deina, ich brauche Ihre Stimme!“ keuchte er. „Sie ist wie ein süßes Gift, das köstlich brennend durch meine Adern fließt. Ich weiß, dass es mich umbringen wird, aber ich genieße jeden Tropfen davon!“
„Beruhige dich, Targil, bitte beruhige dich doch!“ schluchzte Deina. Targils Qualen schnitten ihr wie glühende Messer ins Herz. Sie barg seinen Kopf an ihrer Brust und hielt seine Schultern fest umschlungen. Und langsam schien die Wirkung von Skoras Stimme abzuklingen, denn allmählich wurde sein Atem wieder ruhiger.
„Deina, ich weiß, dass ich das nicht mehr lange durchstehen kann“, sagte er nach langem Schweigen. „Wir müssen daher morgen früh im ersten Licht des Tages aufbrechen, damit ich dich so schnell wie möglich durch das Moor führen
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