Der Dämonen-Turm Traumtor-Trilogie Band I (German Edition)
kann. Ich muss aber dabei frei sein, denn der Weg durch die Sümpfe ist tückisch und ich brauche meine Hände, um an schmalen Stellen nicht die Balance zu verlieren. Du musst darum direkt hinter mir gehen. Kümmere dich um nichts, was du siehst oder hörst! All die Schrecken der Sümpfe sind körperlos und haben keine Gewalt über den Menschen. Aber sie sind entsetzlich anzusehen, und ihre Stimmen lassen einem das Blut in den Adern gefrieren. Aber wenn du erst einmal gesehen hast, wie der Pfad durch das Moor beschaffen ist, wirst du ihn auch ohne meine weitere Führung finden. Denn wenn sie mich ruft – dann, Deina, zögere nicht und stoße mir den Dolch ins Herz! Ich weiß, dass du Skora dann hassen wirst, und dieser Hass wird dir den Turm von Sku-Ul öffnen.“
Noch einmal in dieser Nacht rief die Dämonin nach ihrem Sklaven, und Deina litt mit ihm unter der Folter, der diese entsetzliche Kreatur ihn unterwarf.
Als der erste graue Schein im Osten den Himmel erhellte, löste Deina Targils Bande. Mit schleppenden Schritten gingen sie auf die Sümpfe zu.
Die Pferde und das Gepäck hatten sie zurückgelassen. Mochten die Götter wissen, ob einer von ihnen je wieder dorthin zurückkehrte.
Am Rande des Moores warf sich Deina verzweifelt in Targil Arme. „Lass uns umkehren, Targil!“ rief sie. „Soll doch die ganze Welt untergehen – ich kann dich doch nicht töten!“
„Aber Deina, denk doch an Rowin!“ mahnte Targil sanft. „Wer weiß, was er erdulden muss? Und denk an all die unschuldigen Menschen, die noch unter Zolkars Schwert sterben müssen, wenn wir nicht versuchen, das hier zu Ende zu bringen! Außerdem ist es für mich sowieso schon lange zu spät! Seit ich zum ersten Mal wieder ihren Ruf hörte, hätte ich nicht mehr umkehren können“, sagte er leise. „Und das erste Mal hörte ich sie, als wir noch auf der Ebene waren.“ Er küsste Deina und zog sie fest an sich. „Lebt wohl, mein Liebling, mögen die Götter dir beistehen und mögen sie es geben, dass der Spruch des Sehers stimmt! Dann wären unsere Leiden nicht vergebens und mein Tod bekommt einen Sinn. Und nun komm, folge mir! Ich will, dass das alles endet, denn ich spüre, dass mich die Kräfte verlassen!“
Er löste sich von ihr und schritt entschlossen in den Sumpf hinein. Zögernd folgte ihm Deina, doch sie blieb dicht hinter ihm.
Feuchte Kälte stieg vom Boden auf, und ein nicht spürbarer Wind bewegte die dichten Nebelfetzen wie weiße Tücher. Hier und da ragten tote Bäume und dürre Büsche aus dem Morast. Die grauen Flechten, die sie bedeckten, sahen aus wie lange, von Motten zerfressene Bärte uralter Greise. Blasen stiegen aus den in giftigen Farben schillernden Lachen des dunklen Wassers auf. Bei jedem Schritt schwappte das Wasser unter ihren Füßen, die bis zum Knöchel in den schwammigen Boden einsanken, und sammelte sich in den zurückbleibenden Spuren. Und bei jedem Schritt hatte Deina das Gefühl, dass unsichtbare Hände ihren Fuß festhielten und sie ihn nur mit Gewalt wieder frei bekam. Es war ihr, als griffen kalte, feuchte Finger aus dem Nebel nach ihr und strichen über ihre Haut. Laut schrie sie auf, denn aus dem Wasser neben ihren Füßen grinste eine grausige Fratze und ein schleimiger Arm tastete nach ihrem Bein.
Bei ihrem Schrei hatte Targil sich umgewandt, der bis jetzt unberührt von all den Schrecken vor ihr hergegangen war. Beruhigend fasste er ihre Schulter.
„Ruhig, Liebling, ruhig! Das alles sind nur Trugbilder. Komm weiter! Sie können dir nichts anhaben.“
Zitternd ging Deina weiter. Auf einmal jedoch wurde die lastende Stille von einem markerschütternden Schrei zerrissen, der so grauenvoll war, dass auch Targil entsetzt stehenblieb.
„Das ist eine der verlorenen Seelen, die im Joch von Skora ihr Leben aushauchten“, flüsterte er bang. „Oh, Deina, bewahre mich vor diesem Schicksal!“
Deina war vor Entsetzen starr. Die Qual, die aus diesem Schrei sprach, zerriss ihr das Herz, und voller Grauen stellte sie sich vor, dass auch Targil einmal so schreien würde. War sie bis jetzt nicht sicher gewesen, ob sie im entscheidenden Augenblick die Kraft zum Handeln haben würde, dieser Schrei entschied für sie. Nein, niemals durfte Targil so enden!
Als der Schrei verweht war, schien das Schweigen des Moores nur umso drückender zu werden. Kein Insektensummen, kein Vogelzirpen durchbrach die Stille, nicht einmal einen Frosch hörte man. Das Moor war
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