Der Datendieb - Wie Heinrich Kieber den größten Steuerskandal aller Zeiten auslöste (German Edition)
argentinische Telefonkabine
vor dem Hotel Salles hinter sich lässt und
den Shuttle-Bus zum Aeropuerto de Ezeiza besteigt. Swissair wird ihn über Nacht nach Zürich bringen. Am nächsten Morgen
ist er in Sicherheit.
Während Heinrich Kieber am
Vormittag des 10. April von Dr. Moser im Spital Vaduz verarztet wird,
warten bereits zwei Polizisten auf ihn. Sie nehmen die Anzeige auf, die in die
Untersuchung »Verdacht auf Entführung/Erpressung zum Nachteil Kieber Heinrich«
mündet. Die liechtensteinischen Behörden nehmen ihre Vorermittlungen gegen
Mariano M., Helmut R. und seinen Schwager Paul Krümmel auf.
Wieder einen
Tag später, am Freitag, dem 11. April folgt Kieber der Aufforderung der
Polizisten vom Vortag, sich zu melden, um seine Aussage aufzunehmen. Die
Darstellung Kiebers vor den Beamten der liechtensteinischen Landespolizei ist
geprägt von großer Liebe zum Detail, was seinen Aufenthalt im argentinischen
Verlies angeht. Die Abschrift seiner dreieinhalbstündigen Aussage ist zum
Schluss über vierzig Seiten lang. Doch beschränkt sie sich im Wesentlichen auf
die Schilderung dessen, was ihm in Argentinien widerfahren ist. Kaum einen Satz
verschwendet er darauf, zu erklären, wie er in die Sache hineingeraten ist –
indem er nämlich Helmut R. um seine Wohnung betrogen hat. »Nach der
erforderlichen Anzeige und den weiteren Detailangaben zum Verbrechen war ich
sehr befreit. Wie um tonnenschwere Felsen erleichtert, schritt ich aus dem
Polizeigebäude Vaduz hinaus in den schönen, warmen und sonnigen
Aprilnachmittag.« [89]
In diesen
Tagen besucht die ehemalige Swissair-Flugbegleiterin Larissa Kaufmann ihre
Mutter in der Gemeinde Balzers, ganz im Süden Liechtensteins. Die beiden sitzen
auf dem Balkon, trinken Kaffee und genießen die wärmende Frühlingssonne, als es
klingelt: »Es ist nicht unüblich gewesen, dass Heinrich bei meiner Mutter
vorbeigekommen ist. Jedenfalls kam er zu uns auf den Balkon und sagte: ›Stell
dir vor, ich komme gerade von Argentinien, ich bin gekidnappt worden.‹ Ich:
›Ja, und sonst noch was?‹ Er: ›Doch, schau, ich habe hier Narben.‹ Er hat
erzählt, wie er eine Kette um den Fuß gehabt habe, die einbetoniert gewesen sei
in der Wand, und man habe ihn quasi bei Wasser und Brot gehalten. Er habe
damals 4.000 Franken auf dem Konto gehabt, hat er gesagt, und er habe sich gewundert,
warum die diese 4.000 Franken haben wollten, er habe sonst ja nichts, er sei
ein Armer. Diese Story zu erzählen dauerte Stunden. Damals hat die Geschichte
für mich Sinn gemacht, und ich dachte noch, dass der arme Heinrich schon wieder
leiden muss.«
Am Freitag,
den 11. April, sind auch Helmut R. und seine Frau Salud zurück aus Buenos Aires. R.s Buchhalter überbringt diesem noch auf dem
Flughafen von Barcelona die schlechte Nachricht: Die Überweisung stecke fest,
sei blockiert worden.
Helmut R.
greift zum Telefon: »Mein Name ist Helmut R. Ich rufe auf Veranlassung von
Herrn Bröll von der Bawag in Feldkirch an. Der hat mich gebeten, mit Ihnen über eine
Überweisungsangelegenheit zu sprechen.« Verbunden ist Helmut R. mit Karl-Heinz
Zinniel von der Abteilung für Auslandszahlung der Bawag -Bank
in Wien: »Na ja, schauen Sie, dazu kann ich Ihnen nicht viel sagen. Ich kann
Ihnen nur sagen, es gab in diesem Fall eine Strafanzeige, und da kam an unser
Haus ein Auftrag, dass das zurückgeholt werden soll.«
»Über eine Strafanzeige?«
Ȇber eine
Strafanzeige.«
»Von wo aus
kam diese Strafanzeige?«
»Das weiß
ich leider nicht. Wir haben nur den Auftrag gekriegt, das zurückzuholen.«
»Und das
Geld ist jetzt blockiert?
»Das ist
blockiert, ja.«
Helmut R. verhaspelt
sich und beginnt zu stottern. Als er sich wieder halbwegs gefangen hat,
versucht er Zinniel, der die Vorgeschichte nicht kennt, seine Beziehung und den
Hintergrund der Zahlungen zu erklären. Vermutlich merkt er selbst, wie
unglaubwürdig die Story klingt.
Zinniel
zeigt sich unbeeindruckt: »Das Geld wird sicher nicht herausgegeben, solange es
nicht einen Gerichtsbeschluss gibt. Also das gibt es nicht, dass jetzt jemand
kommt und das holt …«
»Gut, in
Ordnung, dann werde ich alles unternehmen von hier aus, was notwendig ist.«
Dass Helmut
R. sechs volle Jahre um sein Geld wird kämpfen müssen, ahnt er zu diesem
Zeitpunkt nicht.
Die Mühlen
der Justiz fangen zu mahlen an. Die österreichische Einsatzgruppe Organisierte
Kriminalität des Bundesinnenministeriums in Wien hat bereits am Nachmittag
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