Der Datendieb - Wie Heinrich Kieber den größten Steuerskandal aller Zeiten auslöste (German Edition)
Website der
US-amerikanischen Steuerbehörde Internal Revenue Service (IRS) kann er
nachlesen, dass sogenannte Whistleblower mit bis zu
dreißig Prozent Erfolgsbeteiligung rechnen können für Steuernachzahlungen, die
aufgrund zur Verfügung gestellter Informationen eingetrieben werden können.
All das mag
eine Rolle gespielt haben, wirklich scharf jedoch ist er auf Australien: In
sein Land der Träume zurückzukehren ist sein Ziel, wie er wenig später den
australischen Steuerbehörden schreibt: Sowohl die Engländer wie auch die
Deutschen bittet er, »mich der entsprechenden australischen Behörde
vorzustellen / einen Kontakt herzustellen«. [177] Hätte Kieber das beantragte australische Visum erhalten, wäre die Geschichte
wahrscheinlich anders verlaufen.
Der
Bundesnachrichtendienst reagiert schnell auf die Mail von Kieber: »Nach zwei
Tagen schon erhielt ich eine Antwort. Darin wurde unter anderem eine sichere
Kontaktmöglichkeit aufgezeichnet.« [178] Dem Geheimdienst gegenüber gibt er als
Motiv an, Unrecht zu empfinden angesichts dessen, dass die Reichen ihr Geld
vermehrten, ohne ihre Steuern zu bezahlen.
Am
11. Mai 2006 treffen sich BND-Agenten und Kieber zum ersten Mal. Die
Zusammenkunft findet unter strengster Geheimhaltung im französischen Straßburg
statt. Nach Recherchen von Focus ist Kiebers Gesprächspartner Heiner Wegesin [179] , frisch ernannter Leiter der Abteilung
Internationaler Terrorismus und Organisierte Kriminalität beim BND. Abgeschirmt
wird das konspirative Treffen von einem Dutzend Beamten des zentralen
Observationskommandos. Kieber identifiziert sich und präsentiert seinem
Gegenüber den blütenweißen Auszug aus dem liechtensteinischen Strafregister.
Rund sechs
Wochen nach der konspirativen Unterredung übergibt Kieber erste Arbeitsproben,
die anschließend von der Steuerfahndung Wuppertal auf ihren Gehalt hin
überprüft werden. Die Fahnder sind von der Qualität des angebotenen Materials
begeistert und wollen mehr.
Während
Erbprinz Alois am 15. August, dem liechtensteinischen Staatsfeiertag, der
Bevölkerung in seiner jährlichen Ansprache in Erinnerung ruft, dass »wir morgen
den hundertsten Geburtstag meines Großvaters, des Fürsten Franz Josef II.,
feiern«, bereiten BND-Agenten in Straßburg das Gipfeltreffen der deutschen
Steuerfahnder mit Kieber vor, das am 16. und 17. August stattfindet. »Sie
baten mich um eine CD mit zirka zehn Prozent aller Mandate aus Deutschland. Basierend
auf der Steuerprüfung dieser zehn Prozent, kam eine konservative Kalkulation
auf Einnahmen – inklusive Strafsteuern und Bußen – von rund 50 Millionen Euro.
Es war für sie wie ein Sechser im Lotto! Die konservative Hochrechnung auf alle
Mandate ergab 500 Millionen Euro. Wie jeder etwas logisch denkende Mensch
nachvollziehen kann, war die Idee, dem Informanten etwas davon zu geben, nicht
daneben. Nicht dass ich mich für die Annahme der Millionenbelohnung (wie viele
waren es noch mal genau?!) schämen würde; die allermeisten Deutschen gönnen mir
dies sicher.« [180]
Sechs
Millionen Euro im Austausch gegen den vollständigen Satz an Daten, darunter
mehrere Hundert deutsche Kunden der LGT Treuhand, so lautet schließlich Kiebers
Angebot – plus Kontakt zu den australischen Behörden. Die Verhandlungen
geraten ob der Forderungen Kiebers ins Stocken.
Im Herbst
2006 erscheint Gierige
Bestie , die Erzählung des Kriminalpsychologen Thomas Müller über
den frustrierten Mitarbeiter einer namentlich nicht genannten Institution, den
er davon abhalten kann, ein großes Unrecht zu begehen. Und Liechtensteins
Regierung lädt Otto Schily, bis 2005 deutscher Innenminister, und Wolfgang
Gerhardt, den ehemaligen Vorsitzenden der FDP-Bundestagsfraktion, ein, um beim
»Liechtenstein Dialog« mitzudiskutieren – nach Angaben der Veranstalter ein
exklusiver Event, »auf rund hundert ausgewählte Teilnehmende aus der ganzen
Welt beschränkt«. Ziel der seit 2004 jeweils im Oktober durchgeführten
Veranstaltung ist: das ramponierte Image Liechtensteins im Ausland zu polieren.
Im Jahr
darauf wird der Stargast beim »Liechtenstein Dialog« Guido Westerwelle sein.
Generell haben deutsche Politiker Liechtenstein gegenüber wenig
Berührungsängste – solange die Kasse stimmt. Am alljährlich im November in
Vaduz durchgeführten Wirtschaftsforum treten deutsche Politiker gegen Bezahlung
von fünfstelligen Honoraren auf: 2004 der vormalige und künftige Minister
Wolfgang Schäuble, 2005 Ex-Außenminister
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